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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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zu bedeuten hatte. Den Hegmanns schien die Stille nichts auszumachen, laut vernehmbar atmete Gertruds Vater ein und wieder aus. Es klang wie ein Seufzen, und es war wohl auch so gemeint. Wenn sich die Blicke der Frauen begegneten, schaute Wilhelmine Hegmann ausgesprochen freundlich. Aber sie sagte nichts.
    »Mama?«, ließ sich Katty hören, »Mama, darf ich von dem Rosinenbrot probieren?« »Sei still«, zischte ihre Mutter, jetzt auch deutlich angespannt.
    »Lass uns noch einen Moment warten, bis Franz’ Bruder kommt. Dann darfst du bestimmt etwas naschen. Schließlich warst du so brav in der Fastenzeit.« Gertrud hatte einfach mal einen Satz mehr gewagt. Sie schaute hoffnungsvoll auf, doch Johannes und Wilhelmine Hegmann ignorierten sie mit stoischer Freundlichkeit.
    Gertrud versuchte, Franz in die Augen zu schauen. Vergeblich. Er blickte auf die Tischkante, als wäre sein Blick dort festgeklebt. Was war denn hier los? Warum beachtete sie niemand? Hatten sie jetzt schon etwas falsch gemacht? Sie waren doch hier, um einander kennenzulernen. Sie wurde wütend. Warum benahm Franz sich denn so seltsam? Er war doch sonst ein so charmanter Plauderer. Sie schnaubte verächtlich, und da endlich blickte Franz ihr tief in die Augen. Es war etwas wie ein Flehen darin zu sehen. »Er steht oben am Fenster«, flüsterte er.
    Gertrud schaute nach oben. Sie konnte nicht sehen, ob dort jemand stand, aber sie fühlte seine Blicke. Es war ein Machtspiel, das war ihr klar. Heinrich ließ sie warten, um seine Überlegenheit zu demonstrieren. Hat er das denn nötig, fragte sie sich, und Franz’ Bruder wurde ihr noch unsympathischer. Sie überlegte, wie Heinrich sie wohl wahrnahm. Vermutlich würde ihm erst einmal auffallen, dass Gertrud zu dünn war. Franz hatte ihr erzählt, dass Heinrich wert auf sichtbaren Wohlstandlegte. Gertrud reckte ihm das Kinn entgegen. Er sollte ruhig merken, dass sie sich nicht einschüchtern ließ. Mochte seine Familie Angst vor ihm haben, sie nicht. Allerdings half Gertruds Trotz ihr auch nicht weiter, denn bei Tisch hatte sich nichts verändert. Der Platz rechts vom Kopfende war leer, die kleine Gesellschaft schwieg beharrlich.
    »Entschuldigen Sie mich bitte, ich hatte noch Dringendes zu erledigen.« Nach weiteren zehn Minuten, in denen Gertrud bereits in Erwägung gezogen hatte, einfach wieder zu fahren, kam Heinrich mit großen Schritten in den Garten geeilt und gab zunächst Christine Franken die Hand, dann Ludwig und zuletzt Gertrud. Er machte ihr ein Kompliment für ihr schönes Kleid und nahm endlich seinen Platz ein.
    »Ich hoffe, Ihre Studien waren erfolgreich«, sagte Gertrud. Sie wusste, dass das vorlaut war, aber sie hatte das Gefühl, ihm etwas entgegensetzen zu müssen. Heinrich musterte sie mit einem belustigten Gesichtsausdruck. »Nun, jetzt im Krieg sind die Preise für unsere Produkte so niedrig wie selten zuvor. Man muss schon gut rechnen, wenn man davon eine große Familie ernähren will.«
    Die erste Runde geht an ihn, dachte Gertrud und blickte verstohlen zu Franz, um zu sehen, ob er die Anspielung genauso gedeutet hatte wie sie. Offensichtlich, denn Franz wurde rot vor Zorn. Gertruds Eltern hatten von diesem Seitenhieb zum Glück nichts mitbekommen, nur Gertrud und Franz hatten verstanden, was Heinrich andeuten wollte, nämlich, dass Franz weder das nötige Geld noch die Stellung hatte, um zu heiraten. Er arbeitete zwar auf dem Hof mit, aber die Landwirtschaft war nicht sein Steckenpferd, das hatte er Gertrud schon mehrfach gestanden. Sein großer Traum war es, in Aachen an der technischen Hochschule zu studieren, was sein älterer Bruder wiederum für versponnen hielt. Die beiden hatten deswegen häufig gestritten, und in solchen Momenten hatte Heinrich gedroht, er werde Franz vom Hof schicken. Das hätte seine Einberufung zum Militär bedeutet, denn eigentlich hätte auch Franz Soldat werden müssen, nur die Beteuerung, er werde auf dem großen Tellemannshof als Bauer gebraucht, verhinderte das. Gertrud hatte deshalb mehrfach deutlich gemacht, sie sollten ihre Träume von einem gemeinsamen Leben in Aachen, sie als Lehrerin und er als neuer Gottlieb Daimler, noch bis zum Kriegsende aufschieben. Sie wollte um jeden Preis verhindern, dass er Soldat wurde, denn ihr Vater hatte ihr den Krieg in den düstersten Farben beschrieben.
    »Ich werde Marie bitten, den Schnaps zu bringen«, bot Franz an. »Vater, Heinrich, Herr Franken, trinken wir alle einen?« Ohne eine Antwort abzuwarten,

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