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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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erzählen, was er zu sagen hatte.
    Ihre Familie hingegen freute sich jedes Jahr auf das Fest. An Heiligabend und den beiden Feiertagen würden sich alle Geschwister samt Anhang treffen, und so gab es eine Menge vorzubereiten. Als sie ihrem Vater ankündigte, dass sie gegebenenfalls noch einen weiteren Gast hätten, schaute der nur einen kurzen Moment verdutzt und erklärte dann, sie hätten schon immer ein offenes Haus gehabt, er freue sich auf den Besucher. Gertrud hatte bereits Plätzchen gebacken und Weißbrot, sodass sie sich nun Zeit für Karl nehmen konnte. Am Nachmittag vor Heiligabend sahen sie sich den Xantener Dom an, und als sie durch den Kreuzgang wieder hinausliefen, schlug Karl unvermittelt einen ungewohnten Ton an.
    »Es ist sehr schön hier bei Ihnen.«
    »Na ja«, sagte Gertrud, »es ist nicht gerade Paris oder Berlin. Aber es ist meine Heimat. Ich bin gerne hier.«
    »Könnten Sie sich vorstellen, woanders hinzugehen, wenn wir regelmäßig zurückkämen?« Er hatte sehr konkret von »wir« gesprochen, das war Gertrud nicht entgangen. Sie schaute ihn an.
    »Wenn man die Heimat im Herzen hat, kann man überall hingehen. Ich weiß nicht, ob ich in einem fremden Land wohnen könnte, aber ich würde es nicht ausschließen.«
    »Heißt das »Ja«?«
    »Das ist keine Antwort auf eine Frage, die Sie nicht gestellt haben …« Gertrud machte eine Pause, fuhr aber schnell fort, als sie merkte, dass Karl Luft holte, »und für die es auch noch zu früh ist.« Sie wollte Bedenkzeit und vielleicht auch das Urteil ihrer Familie. Sie war sich sicher, dass sie Karl genügend Hoffnung gemacht hatte. Er würde um ihre Hand anhalten,und bis dahin würde sie eine Antwort haben. Vielleicht schon am Ende des heutigen Abends, dachte sie.
    Als sie in Empel ankamen, stellte sie Karl ihrem Vater vor und ließ die beiden Männer allein. Sie ging in die Küche, wo Paula und Katty bereits mit den Vorbereitungen beschäftigt waren. Man wollte gemeinsam zu Abend essen. Nichts Großes, ein Butterbrot mit Wurst und Käse, wie es auf dem Land üblich war. Ihre Schwestern hatten sie offenbar sehnsüchtig erwartet.
    »Wie war das Wiedersehen?«, platze Katty neugierig heraus.
    »Katty«, sagte Paula vorwurfsvoll, »lass sie doch erst mal hereinkommen.« Sie zog Gertrud auf einen Stuhl, schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein und glaubte wohl, damit sei der Höflichkeit Genüge getan. Sie schaute Gertrud verschmitzt an: »Also gut, nun erzähl.«
    Gertrud lächelte, beschloss aber, nicht auf die Albernheiten einzugehen, schließlich wollte sie für Katty ein Vorbild sein, da konnte sie nicht schwärmen wie ein Backfisch.
    »Wir haben uns den Dom angesehen. Herr Liechtenstein ist sehr interessiert an der Geschichte alter Bauwerke. Er ist überhaupt ein sehr kluger Mann. Deshalb möchte ich nicht, Katty, dass du ihm beim Essen dumme Fragen stellst, hörst du.« Sie sah, wie Katty eine Schnute zog, und fragte sich, ob sie zu streng gewesen war.
    »Dann habt ihr also einen schönen Nachmittag gehabt«, bemerkte Paula trocken. Sie war offensichtlich ebenso enttäuscht.
    »Wir können später reden.« Gertrud bemühte sich, einen beschwichtigenden Ton zu treffen. »Lasst uns erst essen.« Sie nahm ein Tablett und stellte Geschirr, Besteck, Wurst und Käse darauf. »Bringt ihr den Rest mit«, trug sie den Schwestern auf und ging. Als sie ins Wohnzimmer kam, waren Karl und ihr Vater bereits ins Gespräch vertieft.

    »Wo haben Sie sich so umfassend gebildet?«, hörte sie Karl fragen.
    »Sie schmeicheln mir, lieber Karl. Aber auch auf dem Land lernt man lesen. Und stellen Sie sich vor, es gibt hier sogar Bücher.« Gertruds Vater zwinkerte Karl zu, und Gertrud wusste genau, was in seinem Kopf vorging. Er machte sich lustig über Karls Vorurteile und gab ihm gleichzeitig zu verstehen, dass er sie ihm nicht übel nahm.
    »Und ich hatte schon Sorge, dass hier noch die heilige Inquisition herrscht«, lachte Karl.
    »Mit Recht. Der Katholizismus ist am Niederrhein stark ausgeprägt, zumindest dem Anschein nach. Der muss gewahrt sein, aber sitzt man erst mal am eigenen Kamin, ist niemand päpstlicher als der Papst.«
    Gertrud freute sich, dass die beiden sich so gut verstanden. Sie drehte sich um und rief den Rest der Familie zum Essen. Alle aßen mit Appetit, die Männer tranken Bier und die Unterhaltung floss gemütlich dahin, ohne peinliche Pausen oder Anstrengung. Karl erzählte von Paris und Berlin, von dem Leben eines Weltmanns.
    »Aber wollen Sie

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