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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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kleines Drama gemacht und ihr gesagt, sie gefährde nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das anderer Menschen. Völlig übertrieben, ärgerte sich Katty sogar jetzt noch. Der tut ja gerade so, als wäre ich alt. Aus ihrer Sicht war es wirklich eine Kleinigkeit gewesen, aber offensichtlich sah Bernhard sie, wie sie selbstauf Gertrud blickte. Aus seiner Sicht bin ich alt, wurde ihr bewusst. Und aus meiner Sicht ist Gertrud alt, wobei wir uns beide topfit fühlen, schloss sie zufrieden.
    Energisch legte sie den ersten Gang ein. Die Kupplung ihres Opel Kadetts war nicht mehr ganz in Ordnung, deswegen gab das Auto ein unwilliges Geräusch von sich, als sie sich auf den Weg ins vier Kilometer entfernte Xanten machte, denn nur dort gab es die vorzüglichen Croissants. Eins nach dem anderen erledigen, dachte Katty unterwegs, das war schon immer die beste Methode, um schwierige Situationen zu meistern.

9. März 1945
Evakuierung
    Katty gab sich einen Ruck. Sie hatte keine Zeit, zu trauern, das würde sie später nachholen. Jetzt galt es, eins nach dem anderen zu erledigen. Wenigstens blieb Theodor erspart, dass er mitansehen musste, was nun mit dem Hof geschehen würde. Sie legte ihre Sachen zurecht und begann, sorgfältig den Koffer zu packen. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, den Hof zu verlassen.
    Drei Familien lebten und arbeiteten derzeit auf Tellemann, neben Heinrich Hegmann waren das die Eheleute Zumkley mit ihren Kindern und die Düke-Brüder, die die schweren Arbeiten wie Misten und Füttern übernahmen, dazu kamen die drei alleinstehenden Hausmädchen und sie selbst. Alle waren sie nun auf Anordnung der Alliierten damit beschäftigt, zu packen. Englische Soldaten sollten auf dem Hof stationiert werden, denn Wesel und damit die letzte noch intakte Rheinbrücke waren von hier aus gut zu erreichen. Möglicherweise würde auf dem Tellemannshof ein Lazarett entstehen, hieß es.
    Es waren fast alle Bewohner der linksrheinischen Höfe betroffen. Und die, die auf der östlichen Rheinseite lebten, versuchten die Seite zu wechseln. Der Rhein war die Frontlinie, und bis auf ein paar Fanatiker zweifelte niemand mehr daran, dass die Alliierten früher oder später die Oberhand gewinnen würden. Paula war deshalb längst vom rechtsrheinischen Empel nach Westen gezogen, Katty hoffte, ihre Schwester in Bedburg-Hau wiederzutreffen. Mit Paula wären die letzten Kriegstage sicher erträglicher, und vielleicht hatte sie sogar Nachricht von Gertrud. Gertrud lebte in Duisburg, ebenfalls auf der anderen Rheinseite, auf der noch die Nationalsozialisten herrschten. Katty betete, dass ihre älteste Schwester nach Norden geflohen war und sich auf den elterlichen Hof zu Paula durchgeschlagen hatte. Vielleicht hatten sie den Rhein gemeinsam überquert. Von Gertrud hatte sie seit Wochen keinerlei Lebenszeichen. Es geht ihr gut, beruhigte sich Katty, sie ist schlau, Gertrud kommt immer durch.
    Katty machte sich nicht nur um die Schwestern Sorgen, sondern auch um ihr Zuhause, um den Tellemannshof. Wer würde sich hier um die Tiere kümmern? Eine der sechs Stuten war tragend. Was, wenn niemand zur Stelle wäre, wenn das Fohlen geboren würde? Es war eine großartige Zuchtstute, für die Heinrich bei den rheinischen Zuchtschauen bereits mehrfach Preise gewonnen hatte. Das Pferd war sicher 700 Mark wert, wenn nicht mehr. Undenkbar, wenn es bei der Geburt einginge.
    Schlagartig wurde ihr klar, dass sie nicht mitgehen konnte. Sie würde bleiben. Der Hof war ihre Heimat, er war alles, was sie hatte, und seit sie das erste Mal auf den Tellemannshof gekommen war, hatte sie sich hier zu Hause gefühlt. Sie würde sich das nicht nehmen lassen. Von niemandem. Nicht von irgendwelchen Soldaten, die keine Ahnung von der Landwirtschaft hatten, und schon gar nicht von denen, die ihren geliebten Theodor auf dem Gewissen hatten.
    Katty wusste, was sie zu tun hatte. Sie würde den anderen ihren Entschluss erst in letzter Minute mitteilen. Bis dahin würde sie den Schein wahren und ihr Hab und Gut zusammenpacken. Nicht, dass sie irgendetwas Wertvolles besessen hätte,aber an der alten Spieluhr ihres Vaters hing sie und wollte sie vor den Soldaten in Sicherheit wissen. Die Spieluhr stammte aus dem 19. Jahrhundert, ihr Vater hatte sie von seinem Vater geschenkt bekommen. Sie sah aus wie eine Schatztruhe in Miniaturformat, das Holz war in einem wunderschönen Dunkelrot gehalten, oben auf dem gewölbten Truhendeckel tanzten drei Knaben auf einer Wiese um

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