Wir sind doch Schwestern
stammte aus einer reichen Familie in Euskirchen und erkannte den Namen. Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hingen viele Gemälde dieses Malers, wusste sie, weil sie als Mädchen mit ihrer Großmutter oft dorthin gegangen war. Sie behauptete, das Bild sei zigtausende Mark wert, und überredete Josef, den Flamen ein Huhn zum Tausch anzubieten. Außerdem gab sie bereitwillig einen Laib Brot und eine Schale Butter dazu. Es kam danach zu einem Streit zwischen José und Gertrud, da Gertrud behauptete, das Bild könne nicht von Rembrandt stammen, ein Rembrandt wäre niemals in den Besitz einer einfachen niederländischen Familie gelangt, immerhin sei Rembrandt bereits zu Lebzeiten teuer und berühmt gewesen. José war schon geneigt, ihrer Schwägerin ausnahmsweise Glauben zu schenken, als das Unerwartete geschah: Die Flamen kamen wieder,und sie verlangten das Bild zurück. José und Josef waren verdutzt. Ob es doch wertvoll war?
José zeigte sich unnachgiebig, sie war fasziniert von der Vorstellung, möglicherweise im Besitz eines echten Kunstschatzes zu sein. Und alles, was danach folgte, bestätigte sie in der Annahme: Die Flamen kamen immer wieder auf den Hof. Und nach einigen Malen baten sie nicht mehr nur um die Herausgabe des Bildes, sie drohten der Familie sogar. Einmal stand das Ehepaar Franken vorne mit dem Anführer der Flamen an der Haustür, als plötzlich der Knecht eines der flämischen Kinder aus dem Stall herausschleifte. Offenbar hatte der Kleine versucht, durch die Hintertür hereinzukommen und das Bild zu stehlen, während die Hausherren abgelenkt waren. José, die ein ängstliches Wesen hatte, konnte von Stund an nicht mehr ruhig schlafen. So musste Josef den Rahmen des Bildes schließlich absägen, damit es etwas handlicher wurde, und jeden Abend wurde das Bild von nun an in eine schwere Wolldecke eingeschlagen und unterm Ehebett versteckt. Dort wurde es außerdem verborgen, wenn die Familie zur Kirche oder aufs Feld ging. Eigentlich lag das Bild bald nur noch unter dem Bett und man bekam es kaum mehr zu Gesicht. Die Flamen hatten irgendwann aufgegeben und waren nicht mehr wiedergekommen. Ob das Bild wirklich wertvoll war, wusste Kattys Familie bis heute nicht. Es zeigte den heiligen Johannes, so viel hatten sie herausgefunden. Doch bevor sie zu einem Kunstverständigen nach Köln hatten fahren können, war der Krieg ausgebrochen und niemand hatte mehr daran gedacht. Vermutlich lag es nach wie vor auf dem Hof ihres Bruders in Mörmter unterm Bett und José prahlte immer noch damit, einen echten Rembrandt zu besitzen. Hoffentlich bekamen die Alliierten keinen Wind von der Geschichte, überlegte sie, die würden bestimmt nicht lange fackeln, sondern das Haus so lange auf den Kopf stellen, bis sie es gefunden hatten. Dabei fiel ihr ein,dass die vielleicht auch Interesse an wertvollen Pferden hätten. Würden sie das Fohlen in der nächsten Zeit überhaupt auf die Wiese lassen können, oder riskierten sie, dass es gestohlen wurde?
Jetzt musste es erst einmal geboren werden, wischte Katty den Gedanken beiseite, denn Edda hatte sich immer noch nicht ins Stroh gelegt, sondern bewegte unruhig den Kopf hin und her. Die Stute war ebenfalls das Ergebnis eines Handels mit den Flamen gewesen, denn auch Heinrich hatte einen Tausch mit dem fahrenden Volk gemacht. Er hatte eine Familie einen Monat lang auf dem Hof wohnen und bei der Ernte helfen lassen. Als sie im September weiterzogen, tauschten sie ihre Friesenstute gegen eine Milchkuh. Es war gütig von Heinrich, dass er diesen Tausch einging, denn natürlich war eine Milchkuh für einen Bauernhof überlebenswichtig, während die meisten Pferde ein Luxusgut waren. Doch trotz des Krieges konnte Heinrich sich diesen Tausch leisten, und er war als Pferdenarr stolz auf das edle Tier. Alma hieß die Stute, und sie war reinrassig. Drei Jahre dauerte es, bis Heinrich in Kranenburg, direkt an der holländischen Grenze, einen passenden Hengst fand.
Alma hatte Zwillinge ausgetragen, was bei Pferden eine absolute Seltenheit und besonders schwierig war. Weder die Zuchtstute Alma noch das zweite Fohlen hatten überlebt, nur Edda war übrig geblieben, und Theodor hatte das Tier mit der Flasche aufgezogen.
Hoffentlich war so eine schwere Zwillingsgeburt bei Friesen nicht üblich, grübelte Katty. Für das Fohlen würde man bestimmt 2000 Mark verlangen können, 2500 sogar, falls es ein Hengstfohlen war. In einem Jahr würde man es auf dem Pferdemarkt in Emmerich versteigern
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