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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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Nachbarn und Verwandten aus der Region eine Mitternachtsüberraschung für Gertrud geplant. Das konnte sie jetzt wohl vergessen. Jeder Versuch, es Gertrud recht zu machen, scheiterte und endete in einem Krach. Soll sie bleiben, wo der Pfeffer wächst, dachte Katty wütend, wenn sie partout nicht hier wohnen will und kein gutes Haar an mir lässt, muss sie halt sehen, wie sie zurechtkommt. Ich kann es nicht ändern. Katty stapfte in Richtung Dienstbotenküche. Sie brauchte jetzt etwas zu bügeln.

11. März 1945
Alltag im Ausnahmezustand
    »Großer Gott!« Katty war sofort hellwach und das Schuldgefühl stellte sich unmittelbar ein. Sie war eingenickt. Nein, regelrecht eingeschlafen. Sie schüttelte sich kurz und rekonstruierte, was passiert war. Da war allerdings nicht viel zu rekonstruieren. Heinrich hatte sie geweckt, damit sie Nachtwache hielt, er hatte sich umgedreht und war sofort eingeschlafen. Dann hatte es nur noch ein paar weitere Minuten gedauert, bis auch sie tief und fest schlief. Sie war eine erbärmliche Nachtwächterin. Heinrich lag immer noch neben ihr, wenigstens hatte er nichts bemerkt.
    Ein bisschen Helligkeit stahl sich durch das Dach des alten Stalls, es war also sicher schon fünf Uhr morgens. Einige der Kühe saßen auf dem Boden, andere standen vor dem Trog und hatten die Augen halb geschlossen, ein Hinterbein angewinkelt. Katty atmete durch. Hier war heute Nacht niemand, stellte sie erleichtert fest, wahrscheinlich haben sie sich nicht getraut. Vermutlich hatten Heinrich und sie geschnarcht wie eine Gruppe Holzfäller. Katty neigte dazu, sehr geräuschvoll zu schlafen. Das lag an einem anatomischen Problem. Ihre Nase hatte einen Engpass an der Wurzel, und sobald sie einschlief, klappte ihr Unterkiefer auf, sie atmete durch den Mund und schnarchte und röchelte, was das Zeug hielt. Ihre Schwesternhatten einmal eine regelrechte Hausrebellion angezettelt, weil keine von ihnen länger mit Katty in einem Zimmer schlafen wollte, allerdings ohne Erfolg. Es gab auf dem Hof der Familie Franken einfach nicht genug Zimmer, und so blieben Gertrud und Paula dazu verdammt, mit Katty einen Raum zu teilen.
    Es war ja nicht nur das Schnarchen, Katty ließ sich zudem nicht wecken. Wenn sie schlief, dann schlief sie. Der ganze Bauernhof hätte in sich zusammenfallen können, und Katty hätte vermutlich seelenruhig weitergeschlafen. Das hatten ihre geplagten Schwestern zu nutzen gewusst. Sie hatten Katty mitten in der Nacht aus dem Bett gehoben, den schlafenden Körper durchs Treppenhaus balanciert, ihn aus dem Haus getragen und unter einem dichten Hartriegelstrauch abgelegt. Ein kleiner Akt schwesterlicher Nächstenliebe, denn der Busch war so dicht gewesen, dass man darunter kaum nass wurde, wenn es regnete, und vor allem kein Vogel auf einen draufscheißen konnte. Und so war Katty ein ums andere Mal unter dem Hartriegelhimmel wach geworden und völlig verwirrt wieder ins Haus getapst. Die Schwestern hatten ihr und den Eltern eingeredet, Katty sei Schlafwandlerin und müsse nachts aus dem Zimmer gewandelt sein.
    Erst als sie kurz davor gewesen war, ihre Arbeit auf dem Tellemannshof anzutreten, hatte Paula sie aufgeklärt, nachdem Katty bang gefragt hatte, wie sie das Herrn Hegmann erklären solle, wenn sie mitten in der Nacht vor ihm stünde. Das würde er doch niemals glauben. Paula hatte sie daraufhin in den Arm genommen und laut lachend mit dem Geständnis der durchtriebenen Schwestern getröstet.
    Wie die Zeiten sich ändern, schmunzelte Katty. Jetzt vertreibe ich mit meinem Schnarchen nicht nur böse Geister und ältere Schwestern, sondern auch englische Soldaten. Sie war inzwischen munter und da sie einen weiteren arbeitsreichen Tag vor sich hatten, beschloss Katty, ein Frühstück mit Muckefuck und Rosinenbrot herzurichten. Muckefuck war zwar nicht gerade das, was sie am frühen Morgen brauchte, aber es gab nun mal keinen echten Kaffee, und so hoffte sie, sich die belebende Wirkung wenigstens einbilden zu können.
    Als sie mit dem Tablett zurück in den Stall kam, schlief Heinrich immer noch. Katty beobachtete ihn und fragte sich, ob sie ihn wecken sollte. Er lag auf dem Rücken und hatte buchstäblich alle viere von sich gestreckt. Wie ein Hampelmann aus Pappe, dessen Arme und Beine mit einem Bindfaden verbunden waren. Wenn man an dem Fädchen zwischen den Beinen zog, hoben sich Arme und Beine gleichzeitig an. Sie hatte solche Männchen mit Theodor gebastelt, nach Paulas Anleitung, die als Lehrerin

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