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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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taugliche Beruf zu sein.
    Aber schon fing das Pech wieder an. In einer der letzten Rezensionen, die ich in der M ünchen-Augsburger Abendzeitung ablieferte, hatte ich über ein Buch von Albrecht Schäffer geschrieben. Ich verwechselte ihn aber mit dem Rheinländer Wilhelm Schäfer, von dem ich wußte, daß er erst kürzlich seinen sechzigsten oder siebzigsten Geburtstag gehabt hatte. Meine Besprechung begann mit den Worten: »Der greise Dichter schenkt uns mit diesem neuen Werk wieder eine herrliche Blüte seiner gereiften, abgeklärten Kunst ...«
    Der Inselverlag sandte an die Redaktion einen Brief und diese stellte ihn mir zu. Da hieß es, daß sich der »in der Rezension des Herrn Oskar Graf-Berg als greiser Dichter bezeichnete Herr Albrecht Schäffer erst an rüstigen neununddreißig Lebensjahren erfreue«. Zwar erklärte die Redaktion nichts weiter, aber sie gab mir von da ab keine Bücher mehr.
    Ein Mißgeschick kommt nicht allein. Vor einiger Zeit hatte ich den Münchner Neuesten Nachrichten einen Artikel eingereicht. Der erschien und erschien nicht. Ich hatte wiederholt an den Herrn Doktor Martens geschrieben, zuletzt schier ununterbrochen. Erst vorsichtig, dann immer fordernder. Keine Antwort mehr, auch kein Buch mehr. Ungehalten darüber, wandte ich mich kurz entschlossen an den Chefredakteur. Darauf kam per Post das Honorar ohne weitere Erklärung. Alles war verscherzt. Meine mühselig erkämpfte literarische Position schien zu wanken. Dem mußte abgeholfen werden. Ich beschloß, mich auf dem Gebiete der Schreiberei selbständig zu machen und suchte Hobrecker auf.
    »Mensch«, sagte ich, nachdem ich ihm erst große Dinge über meine literarischen Erfolge erzählt hatte, »weißt du was? Ich mache eine Zeitschrift auf! ... Machst du mit?«
    »Hm ... Ein großzügiges Unternehmen also, was?« erkundigte sich Hobrecker.
    »Absolut! Ganz was Großes!« nickte ich und erkundigte rnich: »Wie ist's jetzt eigentlich mit deinem Vermögen? ...
Hast du's schon?«
»Nee, aber bald.«
Ich schilderte alles in den verlockendsten Farben.
    »Du kannst Geld haben, soviel du willst, aber selbstverständlich muß ich erster Mitarbeiter werden«, erwiderte Hobrecker schon ganz in der Geste des allgewaltigen Geldgebers. Er zog ein Manuskript heraus und begann vorzulesen: »Leo verließ soeben die Bar. Es fröstelte ihn. Er hatte Ruth verlassen und sich von ihrem blutroten Tulpenmund losgerissen. Inferno ist das Weib, dachte er. Er griff nach dem glatten Revolver in seiner rechten Tasche und entsicherte ihn ...« Ich hörte kaum hin und überlegte hin und her.
    »Gut«, sagte ich in der Enge, »das mit der Mitarbeit können wir noch bereden, aber wie ist's, gibst du mir bestimmt Geld? Kann ich mich sicher drauf verlassen?«
»Wie findest du den Anfang?« erkundigte er sich.
    »Das ist natürlich nichts für die Zeitschrift, aber du kannst ja gute Aufsätze schreiben. Die brauch' ich ... Also, erklär' dich rundweg, sag': Ja ... Ich muß das wissen ... Denk doch Mensch! Du bist verbummelt und ich mach' dich doch, ich nütze dir doch unschätzbar, wenn ich dich herausbringe und drucke!« redete ich auf ihn ein. Er strahlte.
    »Verlaß' dich in jeder Hinsicht auf Willy«, sagte er burschikos. Am darauffolgenden Lohntag nahm ich mein verdientes Wochengeld und ließ bei einem Drucker fünfhundert grellgelbe, sehr pompöse Briefbogen mit folgender Aufschrift anfertigen: Neuland / Eine Zeitschrift für bekennende Literatur / Herausgegeben von Oskar Maria Graf / Neuland-Verlag, München.
    So, jetzt war ich alles in einem: Dichter und mein eigener Verleger! Jetzt war die Türe zum Ruhm offen. Es war mir zwar schleierhaft, was »bekennende Literatur« sein sollte, aber es klang gut und bedeutend.
    Als ich Hobrecker die Briefbogen zeigte, war er hingerissen. Er versprach sofort sein ganzes Vermögen »in das Unternehmen« zu stecken. Ich fühlte mich sehr gehoben dadurch und sagte zutraulich: »Weißt du was? ... Du wirst Verlagsdirektor.« Er war beseligt wie über einen erhaltenen Orden.
    Eigentlich, was ich mit der Zeitschrift wollte, wußte ich nicht recht. Es kümmerte mich auch nicht im geringsten. Die Hauptsache war mir, meine Gedichte zu veröffentlichen. Das andere würde sich schon ergeben, tröstete ich mich.
    In der Zeitung erließ ich ein Inserat: »Zeitschrift für neue Menschlichkeit und ethische Literatur sucht junge, begabte Mitarbeiter.«
    Ganze Pakete Antwortbriefe kamen. Wohlig durchrieselte es mich jedesmal, wenn

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