Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
führt und gemeinschaftlich den Nutzen davon hat«, hieß der Passus.
    Wir kamen ab und zu in meinem Atelier zusammen, wußten aber nicht recht zu welchem Zweck. Mir wurde es mit der Zeit schon unheimlich, daß unserer Gönnerin keine wirklichen »Taten« gezeigt werden konnten. Einmal endlich brachte Pegu zwei radikalsozialistisch gewordene Freideutsche - Koch und Kurella mit, die siedeln wollten. Ich sah gleich, daß sie es ernst meinten mit ihren Absichten, und das war mir sehr recht. Sie wiederum vermuteten, wir hätten massenhaft Geld oder dachten vielmehr, wir könnten durch unsere Beziehungen solches herbeibringen. Sie setzten uns ihre Pläne auseinander.
    »Gut«, sagte ich, »das ist sehr fein. Wir könnten schon vermitteln ... Wir sehen unsre Aufgabe ja auch nur so an, daß wir vor allem jeden sozialistischen Plan tatkräftig fördern ... Bei uns läuft sozusagen alles zusammen.«
    Dann nannte ich die Dame, und die beiden erhielten kurz darauf von ihr und von noch anderen Leuten eine größere Summe. Sie kauften auch wirklich ein größeres Bauerngut in Blankenburg, bezogen es mit mehreren Studenten und Kunstgewerblerinnen und fingen rein sozialistisch zu wirtschaften an. Leider aber hatte keiner von ihnen eine Ahnung von Bauernarbeit, die Siedlung wurde Unterschlupf verfolgter Revolutionäre, und zuletzt mußte sie wieder aufgegeben werden. Ich sah sie nie und interessierte mich auch nicht weiter dafür.
    Die Studentin hatte ich vor einiger Zeit bei der Dame untergebracht. Sie bewohnte unentgeltlich ein Zimmer dort und hinterbrachte allerhand, was nur unter uns bleiben sollte. Die Dame wurde mißtrauisch und erbat meinen Besuch. Sie lag krank darnieder und empfing mich in ihrem Schlafzimmer. Es kam zu einer mir sehr peinlichen Aussprache wegen des verbrauchten Geldes. Auch hörte ich deutlich heraus, daß die Dame mit meiner höchst zweifelhaften Haltung ihr gegenüber nicht einverstanden war. Ich geriet in die Enge durch die offenen Fragen, gab zu, gab immer mehr zu, daß ich die übergebenen zweitausend Mark leichtsinnig für mich und meine Kameraden verwirtschaftet hatte und sagte schließlich: »Wissen Sie, es ist bei mir immer so, ich hasse jeden Menschen, der Besitz und Geld hat! ... Ich hasse auch das Geld ... Eigentlich sind wir Feinde ... Ich kann auch nichts gegen mich machen!«
    Die Dame fand das sehr offen und war zufrieden. Das Stipendium lief weiter. Ich ging heim und resümierte: Aus der Zeitschrift ist nichts geworden, die Versammlung war eine Blamage, der »Bund freier Menschen« ein widerwärtiger Unsinn.
    Ich schwor mir, kein Unternehmen mehr anzufangen und begann wieder zu dichten. Ich wollte zeigen, was ich konnte und lud allerhand Leute zu einem Vorleseabend in meinem Atelier ein. Rilke, der Holländer mit Marietta, Karl Wolfskehl, die Dame mit einer Freundin, lauter feines Volk kam. Aber der Ofen rauchte derart, daß die Herrschaften schon nach kurzer Zeit gleichsam die Flucht ergriffen. Ich war unglücklich darüber und wollte mich nun endgültig zurückziehen. Das Zutrauen zu mir selber verlor ich und haßte jeden auftauchenden Entschluß. »Ach was, Dummkopf! Idiot! Idiot!« knirschte ich bei jeder solchen Gelegenheit.
    Es fingen wieder die Saufgelage beim Holländer an, und ich machte wie ehedem den Unterhalter. Der Mann ließ sich eine Villa in Nymphenburg bauen. Die war schon fast fertig. In einigen Wochen wollte er sie beziehen.
    Dumm, dachte ich, dumm, jetzt hast du auch keine gemütliche Wirtschaft mehr in der Nähe.

XXI
STÜRME ÜBERALL

    Weihnachten kam heran. Jetzt waren so ziemlich alle Soldaten von der Front zurück, und Heimkehrfeiem zu ihren Ehren gab es. Die waren eigentümlich: Da sprach meist zuerst einer, der den Heldenmut unserer unbesiegten Truppen pries und patriotische Floskeln einschaltete, dann folgte der andere Redner, der die Feldgrauen als Kämpfer für die Revolution begrüßte. Gustav Landauer hielt im Nationaltheater eine Ansprache und rief den Soldaten zu: »Ihr, die ihr vier Jahre lang gezwungen worden seid, euer Leben für ein sinnloses Völkerschlachten zu opfern! Die Stunde der Freiheit hat geschlagen - nun kämpft für euch selber!«
    Die Tausende bevölkerten die täglichen Straßen, hatten keine Arbeit, warteten, murrten und wußten nicht wo aus und wohin.
    Zuckungen gingen durch ganz Deutschland. Im Ruhrgebiet waren Unruhen ausgebrochen. Ich traf Arbeiter in der Stadt, die mir schon von weitem entgegenlachten. »Ah, der blamierte sanfte

Weitere Kostenlose Bücher