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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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gleich hinter alles kommen, wird heimschreiben, was ich für ein Leben führe, Max wird kommen, mich furchtbar verprügeln und wieder in seine Zucht nach Hause nehmen.
    Ich las den Brief immer wieder. Er war aufrichtig rührend und treuherzig. Aber ich glaubte kein Wort. Ich erwartete nur Schlechtes von diesem Kommen. Ein geprügelter Hund ist auch gegen den wohlmeinendsten Streichler mißtrauisch.
    »Vielleicht können wir zusammen wohnen und ich finde in Deinem Geschäft eine Stelle«, lautete ein weiterer Satz in dem Brief. Herrgott! Herrgott, was war da bloß zu tun!
    Ich wollte sofort zu Theres gehen, unterließ es aber doch. Nein, ich mag nicht, redete ich mir mit dummer Beharrlichkeit ein, sie kommt bloß wieder mit dem Arbeitannehmen daher und genau so wird's auch mit Maurus sein. »Du mußt eine Stelle nehmen, unbedingt! Sonst mußt du einfach heim!« wird er ebenfalls sagen.
    Hin und her überlegte ich. Auf einmal ging ich zur verhaßten Logisfrau und erzählte ihr einen wahren Roman von mißlichen Verwicklungen.
    »Sie müssen denken, Frau Ulitsch, ich bin heimlich Student! ... Bloß meine Schwestern helfen mir ... Wenn es aufkommt, muß ich wieder heim, samt meinem Talent ... Mein ältester Bruder ist ein Grobian, überhaupt alle Brüder! Jetzt kommt einer aus Kassel ... Der hat keine Stellung und kein Geld und will bei mir wohnen ...«
    Frau Ulitsch begriff sofort. Gleich wurde sie hart im Gesicht und sagte mit ihrer emsigen Fistelstimme: »Nein, nein, Herr Graf, das gibt's nicht!... Das geht nicht... Nein, Sie sind ein so netter, ruhiger Mensch ... Aber Ihr Bruder kann nicht bei Ihnen übernachten ...« »Ja - ja, natürlich, seh'n Sie«, sagte ich, »ich will's ja auch nicht, aber ...« Ich rang buchstäblich nach Luft und fühlte den Schweiß unter den Achselhöhlen: »Aber ... Helfen Sie mir doch! ... Wissen Sie was, Frau Ulitsch, wir helfen zusammen ... Ich - ich zeig' mich schon erkenntlich ... Ich zahl' auch mehr ...« Ich war ganz verwirrt. Frau Ulitsch lugte flüchtig auf mich und beteuerte, so was, daß sie von einem Logisherrn mehr verlange, das mache sie nicht. Nein, das nicht, aber die Herren haben so gern bei ihr logiert und jedes Jahr selber was gegeben.
    »Ein anständiger Herr, wenn's soweit ist, der weiß sowieso, was sich gehört, Herr Graf ... Und ich hab' Sie auch gern, ich tu gewiß meine Logisfrauenpflicht. Hab' ich recht oder nicht?« fistelte sie. »Ja, ... ich hab's ja gleich gekannt, wie ich bei Ihnen eingezogen bin«, log ich mit aller Treuherzigkeit und rechnete schon angstvoll im geheimen aus, was sie verlangen würde. Zum Schlusse waren wir einig. Ich sagte ihr alles und sie war auf meiner Seite. »Um vier Markl Mietzins mehr, Herr Graf ... das ist gewiß nicht unverschämt«, meinte sie und ich ging auf alles ein. Bloß einen Verbündeten dachte ich, bloß wen, der mitlügen hilft, und war ein wenig erleichtert nach dieser Sitzung. Zwei Tage darauf kam Maurus. Ich empfing ihn mit der bestgespielten Freude. Nur fiel ihm auf, daß ich so ängstlich gegenüber meiner Logisfrau war. Ich hörte seine Erzählungen. Er war so herzlich zu mir. Ich schwankte immer und immer wieder, ob ich's denn nicht sagen sollte, drückte es aber stets wieder zurück und schimpfte furchtbar auf meine Logisfrau. Sie sei so widerwärtig, so ekelhaft, Besuche möge sie nicht, auf alles müsse man so aufpassen, was im Zimmer stünde und überhaupt, hier sei es ärgerlich zu wohnen. In der Frühe war mein Bruder gekommen. Wir saßen bis zur Mittagszeit auf meinem Zimmer beisammen, ich wie auf Kohlen und er arglos und hocherfreut. Er entwickelte seine Pläne.
    »Du sparst und ich such' mir eine Stelle und spare, wir legen das Geld zusammen und sind gemachte Menschen«, war immer der Refrain.
    Draußen im Korridor schlurfte Frau Ulitsch in einem fort auf und ab. Hin und wieder merkte Maurus meine nervöse Zerstreutheit und endlich brachen wir auf zum Mittagessen.
    »Ich kann doch heut' nacht bei dir schlafen ... Du gehst ja sowieso ins Geschäft?« fragte mein Bruder. »Ja«, sagte ich stirnrunzelnd, »ich weiß nicht, ob sie nicht Krach macht... Wirst es sehen, daß sie nicht will, wenn du bei mir bleibst, aber das ist mir ganz und gar gleich ... Jetzt sind wir schon einmal beieinander .. Und morgen suchst du dir halt vorläufig ein eigenes Zimmer ... Wenn's geht, ziehn wir zusammen.«
    Schnell und hastig stand ich auf, ging hinaus zur Logisfrau und zog sie in die Küche. Ich erzählte. »Und - und

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