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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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war zwölf Uhr vorbei. Ich bekam eine unbezähmbare Wut. Laut fing ich zu fluchen an.
    Nebenan klopfte es. Ich fluchte noch lauter. Ein Bett knarrte. Dann klopfte es an der Türe: »Herr Graf!«
    Es waren die winselnden Stimmen meiner Hausfrauen. Es waren drei alte Jungfrauen, die furchtbar kriecherisch und bigott taten. »Ja«, brüllte ich und riß die Tür auf: »Was ist denn das! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich morgen früh und jeden Tag um halb fünf Uhr aufstehen muß! . . . Warum haben Sie mir denn keinen Wecker hereingetan?«
    »Ja, aber Herr Graf . .. Aber Herr Graf!« wimmerten die Jungfern und wichen zurück: »Unser Wecker geht ja nicht. . . und dann . . . wir wecken Sie doch . . .«
    »Ich bin ja neugierig, wer da verschläft«, knirschte ich und schlug polternd die Türe zu. Ich hörte die drei Jungfrauen winselnd in ihre Kammer zurückschlurfen und warf mich mürrisch aufs Bett. Bald schlief ich ein, ohne mich entkleidet zu haben. So um zwei Uhr wachte ich auf. Angst packte mich. Ich horchte, ob nirgends eine Uhr schlüge. Nichts. Der Tag schien schon zu grauen. Ich sprang aus dem Bett und begann herumzurennen und riß das Fenster auf, um besser zu hören. Nichts. Ich fing wieder zu fluchen an. Drüben regte sich was. Ich polterte lauter. Darf ich nicht schlafen, so sollen diese alten Stangen auch nicht schlafen, dachte ich wütend.
    Und richtig. Schon pochte es wieder an die Tür und wimmerte: »Herr Graf, es ist erst zwei Uhr.«
    »Ach, hol' alles der Teufel!« gab ich den Jungfern mit ins Bett. Ich setzte mich zerstört an den Tisch, um zu warten, bis der Morgen käme. Etliche Wimmerlaute kamen noch, Seufzer hörte ich, dann war's still.
    Langsam, unsäglich langsam flössen die Stunden dahin. Mich fror. Aber zum Schlafen war es auch schon zu spät.
    Als es vier Uhr schlug, machte ich mich auf den Weg. Es war eine weite Strecke, quer durch den Englischen Garten, und da konnte man sich leicht verfehlen. Ich wollte aber am ersten Tag möglichst pünktlich sein. Kalt hing die Luft. Die Bäume griffen geisterhaft in den Mond. Hart klangen meine Schritte. Ich traf richtig ein. Als ich den Park hinter mir hatte, schlug es Dreiviertel. Es war noch immer dunkel. Der ungeheure Koloß der surrenden Mühle ragte massig auf. Das Licht der vielen Fenster fiel auf den öligen Fluß und warf schimmernde Reflexe.
    Als ich durch das Tor schritt, begegneten mir Arbeiter. Wieder trafen mich merkwürdig staunende Blicke. Ich folgte ihnen. Wir gingen in einen Schuppen. Dort kleidete man sich um. Dann ging's in die Mühle. Der Obermüller stand schon da und sah auf die Uhr. Kaum schlug es sechs, begann er zu rennen. Fast wie aufgezogen. Die Arbeiter fuhren mit dem Aufzug in die verschiedenen Stockwerke. Ich mußte beim Alten bleiben. Er brüllte mich an, als ich so dastand und nicht wußte, was jetzt zu geschehen habe, und drückte mir einen Besen in die Hand. Ich kehrte mechanisch auf, obwohl nichts aufzukehren war. Dann schrie plötzlich der Obermüller und winkte mir.
    »Stell' dich daher, da kommen jetzt Säcke herunter, fang' sie auf und trag' sie weg ... Da hinten hin ... Und aufeinanderschichten!« befahl er mir.
    Ich mußte nun an die Mündung einer durch die Decke herunterlaufenden Holzrinne und hatte die Säcke, die vom vierten Stock herunterrutschten, aufzufangen. Kaum hatte ich mich richtig versehen, da sauste schon ein Sack daher. Und - plumps, da lag ich hingeschlagen und das Mehl aus dem geplatzten Sack spritzte. Ich hatte weder Übung noch Kraft genug, um so etwas schon zu leisten. Der Obermüller stand da. Ich sah ihn fauchen und fluchen, dann an der Rinne stehen, die Mehlsäcke aufhalten und sie wegschwingen. Dienstbeflissen wie ich war, wollte ich sofort den Besen nehmen und das Mehl aus dem zersprungenen Sack aufkehren. Da, plötzlich, drehte sich der Alte um und rannte auf mich zu: »Daher! Das tut man nachher!« Und nun zeigte er mir das Auffangen. Das ging den ganzen Vormittag. Die Ballen meiner Hände waren am Mittag wundgerieben und brannten entsetzlich. Ich zeigte sie dem Obermüller. Er lächelte und sagte: »Das vergeht schon mit der Zeit. ...Das haben wir alle gehabt.«
    Nachmittags mußte ich mit noch etlichen Arbeitern vom Aufzug weg Säcke tragen. Es wurde verladen. Anfangs brach ich zusammen. Als mich alle auslachten, kam mir die Wut. Dann ging es. Ich schleppte atemlos. Abends war mein Rücken wund und als ich mich auszog, klebte das Hemd an der offenen Haut. Ich weinte in mich und

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