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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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wenn man so lange Feiertag macht«, meinte der Geselle witzig unterm Weckendrehen, und der Meister lachte. Ich arbeitete ruhig weiter. Noch drei bis vier Wochenlöhne, dann werfe ich die Sache hin, war mein Gedanke.
    »Ihr seid schöne Kriecher«, sagte ich eines Nachts zum Gesellen und zum Lehrling, »alles hinterbringt ihr dem Meister, und der lacht sich in die Faust über unsere Uneinigkeit. Er zieht den Nutzen davon.« »Wo? ... Wer hat was gesagt? ... Wieso denn?« brauste der Geselle auf und wurde rot, denn ich hatte ihn getroffen.
    Mit einer abweisenden Geste sagte ich: »Ich mag nicht weiter reden, ich denk' mir mein' Teil.«
    »Jetzt haben wir so lange miteinander gearbeitet und auf einmal fängst du an zu nörgeln«, jammerte der Geselle scheinheilig und setzte hinzu: »Ich leg' dir doch gewiß nichts in den Weg.«
    »Schon gut, schon gut«, sagte ich bitter und schwieg. Dem Gesellen schwoll der Kopf noch röter an: »Wenn du meinst, wir können's ja aufnehmen.«
    »Gut«, sagte ich kampfbereit. Schweigend ging die Arbeit weiter. Es war in einer Nacht von Samstag auf Sonntag. Da gab's besonders viel zu tun. In der Zeit zwischen Herausbacken der Semmeln und Gärenlassen der Brezen benützte ich meine geringere Beschäftigung dazu, meine Troge in Ordnung zu bringen. Hastig lief ich in den Mehlkeller hinunter und holte Butte um Butte Mehl und leerte es in den Trog. Der Lehrling saß unterdessen müßig da und verzehrte seine Nachtvesperration. Die Semmeln waren herausgebacken. »Oskar! Raus zum Brezenkochen«, schrie der Geselle. Ich rannte in den Mehlkeller und wollte noch die letzte Butte Mehl holen. »Gleich, bloß einen Kübel noch!« schrie ich im Hinterrennen. Der Schweiß troff mir vom Leibe. »Heraus!« schrie der Geselle.
    »Soll der Andreas schnell hinausgehen!« gab ich von unten hastig Antwort.
    »Raus!« schrie es drohend. Ich kam die Treppe herauf gestürzt mit dem vollen Mehlkübel, rannte an den Trog und schüttete das Mehl hinein.
    Da hatten mich Fäuste. Ich ließ den Mehlkübel mit aller Gewalt auf den Gesellen niedersausen, daß es krachte. Der Lehrling schrie entsetzt auf. Jetzt faßte mich das fliegende Gefühl großer Wut. Mein Körper zitterte, und nun gab es kein Halten mehr. Ich raste. Der Geselle stürzte blutüberströmt abermals auf mich. Ich bellte auf, erwischte die Kohlenschaufel, und nun ging es an wie bei Mord und Totschlag. Der Geselle wich in den Backraum, zurück. Ich schlug die Lampe herunter, stürzte nach vorn ins Dunkel und schlug unausgesetzt und wahllos auf alles ein. Die Brezenbretter krachten, der Laugenkübel spritzte, der Schrägen flog schmetternd auseinander. Die zwei schrien aus Leibeskräften aus dem Baderaum. Ich stemmte mich an die Tür, schlug das Fenster ein. Die zwei plärrten noch mehr. Um mich spritzten Teig und Dreck. Alles mußte hin sein, kaputt gehen! Aber die Tür war verriegelt und doch zu fest. Durch die eingeschlagene Fensterlichtung schrie und brüllte ich: »Schufte! Hunde! Hin müßt ihr sein!« Die beiden wimmerten: »Du bist irrsinnig!« Ich schlug abermals mit der Kohlenschaufel gegen die Tür, daß ein Brett herauskrachte. Die zwei drinnen überbellten mich, und im Haus wurde es lebendig. Auf einmal stand die ganze Bäckersfamilie in Nachthemden da und wimmerte auf. Sonstige Inwohner standen entsetzt im Gang. Der Bäckermeister hob das Kerzenlicht in die Höhe, überleuchtete den demolierten Backraum und fing, als er seine ganzen Brezen im Dreck liegen sah, vernichtet an zu heulen wie ein Kind: »Ja! Ja, ja! Um Gotteshimmelswillen, Oskar, Sie sind ja irrsinnig! Schaun S' doch hin, alles ist kaputt! ... Sind S' doch ruhig! Ruhig! ... Alles ist hin, u-u-u-um Gottswilln ...!« »Geht einer her! Jeden erschlag' ich maustot!« schrie ich sinnlos und brüllte weiter: »Diese Schufte! Diese elenden Schufte! Ich geh! Ich geh sofort!« Ich rannte abermals gegen die Baderaumtür: »Macht auf, sonst schlag' ich alles kurz und klein! Auf, ich geh' sofort, ich geh'! Meine Kleider 'raus!«
    Der ganze Hof heulte auf. Ich bekam meine Kleider durch die eingeschlagene Fensterlichtung herausgeworfen, fing sie auf und zog mich an. Keiner wagte an mich heranzukommen.
    »Er ist irrsinnig geworden! Die Sanitäter müssen ihn abholen!« schrien die zwei Eingeschlossenen immerzu. Niemand hörte sie, alles jammerte und weinte. »Da-das muß bezahlt werden!« greinte die Bäckermeisterin.
    »Meinetwegen!« plärrte ich sie an, warf meine Schürze weg und machte

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