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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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schrieb, bis ich einschlief. Die Logiswirtin kam herein, rüttelte mich wach und sagte menschlich: »Gehn S' doch ins Bett, Herr Graf.« Ich zog mich aus, legte mich hin und schlief wie ein Sack. Abends um 9 Uhr, bevor sie schlafen gingen, weckten meine Wirtsleute mich. Ich machte mich fertig und ging wieder ins Geschäft.
    Mittlerweile hatte ich mir einen taubenblauen Anzug gekauft, ein paar gelbe Halbschuhe und Hemden. Meine Habe freute mich. Sie war mühsam vom Leibe abgespart und deshalb um so kostbarer. Eines Sonntags kam ich wieder zu Schorsch. Er wohnte in einem kleinen Atelier im Rückgebäude eines Schwabinger Hauses. Als ich den Durchgang des Vorderhauses durchschritten hatte und vom Hof aus hinaufsah, waren die Fenster offen, und zwei Mädchen winkten und schrien sehr laut herunter. Das eine war im Hemd, das andere nackt. Ein Flieger surrte in der Luft und der interessierte sie. Ein fürchterlicher Lärm kam von oben. Ich rannte die Stiege hinauf und trat ein. Da sah es aus wie nach der Schlacht bei Sedan. Heringsbüchsen, Kisten, schmutzige Eimer standen herum und der Tisch war vollgestopft mit Farbtöpfen. Kämme lagen da, schmutzige Tassen standen herum und beide Modelle hüpften herum wie toll. Schorsch saß ruhig auf dem Diwan und malte an einer Landschaft, lachte hie und da oder zeterte um Ruhe. Mir gefiel dieses Zigeunerleben ausnehmend. Ich freundete mich mit den Mädchen an. Man ging spazieren. Abends gingen wir in ein Kino und wieder auf Schorschs Atelier. Lollo kochte Tee in einer Heringsbüchse und fragte mich, ob ich auch so zerrissene Hemden anhätte wie mein Freund. Ich dachte nicht ans Schlafen und wollte gleich von hier aus ins Geschäft.
    »Das geht nicht mehr, ihr müßt hinaus«, sagte Schorsch bestimmt zu den Mädchen.
    »Ja, zwei dürfen auch bei einem Herrn nicht sein«, meinte Lollo. Schorsch sah hilflos drein.
    »Du mußt hinaus«, sagte Lollo dann zu ihrer Rivalin, »ich bin schon länger da.« Schorsch und ich saßen eine Weile stumm da. Die Mädchen keiften. Plötzlich fingen sie zu raufen an, zerrten sich an den Haaren und machten eine ungeheuren Spektakel, bis Schorsch sich erhob und einschritt.
    »Packt eure Sachen und macht, daß ihr fortkommt!« drohte er. Die Mädchen fingen zu bitten an. Lollo kam zu mir: »Nicht wahr, Herr Graf, das sagen Sie doch auch, daß die, die wo am längsten da ist, ein Vorrecht hat.« Ich nickte. Schließlich einigte man sich, daß die beiden morgen auszögen. Ich mußte gehen.
    »Wie lange machst du den Dreck noch?« fragte mein Kamerad an der Haustür.
»Nicht mehr lange«, gab ich mechanisch zurück.
»Such dir doch eine Bürostelle«, sagte er wieder.
    »Ich muß überhaupt weg von München. Ich will nach Berlin, da ist eher was zu machen«, antwortete ich. Auf dem Heimweg rechnete ich, wie lange ich es aushalten könnte ohne Stelle, forschte nach anderen Erwerbsmöglichkeiten. Alles war so widerlich, so eng! Es war bereits halb elf Uhr. Ich rannte ins Geschäft. Wochen zerblätterten. Träge und unentschlossen verfloß die Zeit. Ich nahm ein Lotterielos. In einer Woche sollte Ziehung sein. Zehntausend Mark war der Hauptgewinn. Eine Rettung, dachte ich. Nichts. Ich sandte Skizzen an verschiedene Zeitschriften. Alle kamen zurück, öfters traf ich Lollo und vertrödelte mit ihr die Nachmittage. Nachts hatte ich Schlaf. Fort! Fort, dachte ich, fort, so weit ein Zug geht!
    Eines Tages traf ich Morax. Er erzählte mir, daß Jung nach Berlin gefahren sei und dort lebe. Zwei Bücher von ihm seien schon erschienen. Ja eben, Berlin, sagte ich mir.
    Der Lehrling hatte mich neuerdings verklatscht. Jetzt machte sich auf einmal der Meister kurz vor meinem Weggehen in der Backstube zu schaffen und beobachtete mich. Mein Grimm wuchs.
    Durch einen unglücklichen Zufall überbrühte ich mir die Hand mit heißer Lauge. Ich mußte zwei Wochen aussetzen und bekam Krankengeld. Aber der Meister schickte jeden dritten Tag zu mir, wann ich wieder anfangen könnte. Als die Hand geheilt war, spöttelte der Geselle: »Wegen so einer Kleinigkeit zwei Wochen aussetzen!« Der Meister hielt sich etwas zurück und sagte nur manchmal: »Jaja, die jungen Herren heutzutage! Die sind empfindlich!«
    Oder er fragte unvermittelt: »Von was haben Sie denn die zwei Wochen gelebt?« Daher bläst der Wind, dachte ich und sagte harmlos: »Nun ja, schließlich, ein paar Pfennige erspart man sich doch, wenn man immer arbeitet.«
    »So ein paar Laugenspritzer sind leicht zu ertragen,

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