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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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zugeben. Aber damit nicht genug. Nun, wo ich die Kinder schon mal habe, sehe ich es natürlich auch als meine oberste Pflicht an, diesen Kindern erstens regelmäßig die Zehzwischenräume zu säubern und sie zweitens zu leistungsstarken Bürgern zu erziehen, die dieses Land so dringend braucht. So weit stimmen Sie mir sicher zu.
    Nun also zur Motivation meiner Bewerbung: Da es – wie oben ausgeführt – mein Wille und meine Pflicht ist, meinen überdurchschnittlich zahlreichen Nachkommen die für den Fortbestand dieses Staates bestmögliche Förderung angedeihen zu lassen, brauche ich sehr dringend Arbeit und Geld. Und zwar unbedingt beides.
    Gerne möchte ich Ihnen die kausalen Zusammenhänge zwischen mütterlicher Berufstätigkeit und zukünftiger Bildungselite kurz darlegen: Wenn ich einer Arbeit nachgehen könnte, die mich erstens so zufrieden macht, dass ich abends gut gelaunt nach Hause komme, um mich dort wenige, aber umso qualitativ hochwertigere Stunden (Stichwort: quality time! aber das wissen Sie als Experte natürlich) meinen zeitweise fremdbetreuten Kinder zu widmen, und die es mir zweitens ermöglicht, meinen Kindern je nach Neigung und Begabung Zugang zu kostenpflichtigen Bildungseinrichtungen zu verschaffen, dann würden sich ergo sowohl meine Vorbildfunktion und meine psychi-sche Stabilität, als auch meine sicheren finanziellen Verhältnisse positiv auf die Bildungskarrieren meiner Kinder auswirken.
    So weit konnten Sie mir sicher folgen. Aber es kommt noch besser: In nur wenigen Jahren würden meine Kinder, durch ihre hochkarätige Ausbildung hervorragend auf verantwortungsvolle Managementpositionen vorbereitet, aktiv an der Sicherung und Mehrung von Arbeit und Wohlstand in diesem Land mitwirken. Und weil ihnen ihre Mutter auch noch so vorbildlich vorgelebt hat, wie gut sich Mutterschaft und Beruf verbinden lassen, würden meine Kinder womöglich sogar selbst zwei bis drei Kinder bekommen. Den gleichen Effekt hätte mein Beispiel übrigens auf meine zahlreichen 20- bis 40-jährigen Kolleginnen, die sich von meinem schönen Anblick unbewusst zur Mutterschaft ermutigt sehen würden. Um mich herum würde also in kürzester Zeit ein reges Gebären einsetzen. Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Aufschwung und demografischer Wandel rücken in greifbare Nähe.
    Auch wenn ich also liebend gern weiter mein üppiges Arbeitslosengeld vor dem Fernseher durchbringen würde – Sie sehen sicher ein, dass ich diese privaten Vorlieben hintanstellen muss, weil ich es Vater Staat und meinen Kindern schuldig bin, einer Berufstätigkeit nachzugehen.
    In diesem Sinne frage ich nicht, was mein Land für mich tun kann, sondern überlege weiter, was ich für mein Land tun kann (wenn Ihnen noch was einfällt, lassen Sie es mich wissen), und verbleibe mit bürgerlichen Grüßen,
    Ihre
Astrid Herbold

Kassensturz
    D ie gute Nachricht zuerst: Irgendwie übersteht man die notorische Geldnot immer. Die schlechte Nachricht: Wenn man in diesem Leben angetreten ist, sorgenfrei seine Tage rumzubringen, dann hätte man tun sollen, wozu einem der eigene Vater schon in der Grundschule geraten hat: nämlich einen reichen Mann heiraten. Aber man hat den Ratschlag natürlich in den Wind geschlagen und seine eigenen Erfahrungen machen wollen. Und diese wertvollen, selbst gemachten Erfahrungen gipfeln, wer hätte das gedacht, in der banalen Erkenntnis, dass das Leben teuer ist, Kinder einem die Haare vom Kopf fressen und sowieso die Falltür auf dem kurzen Weg in den sozialen Abgrund darstellen.
    Diesem Schicksal hat Mama nun die Stirn geboten. Erst einmal, indem sie sich neulich für 29 Cent ein liniertes Heft mit Strich in der Mitte gekauft hat: so eines, das sie früher für die Französischvokabeln besaß. Links vom Strich hat sie »Habenseite« und rechts vom Strich »Sollseite« hingeschrieben. Auf der Habenseite hat sie alles aufgelistet, was andere regelmäßig an Bimbes von ihr haben wollen: 616,34 € Warmmiete will der Immobilienhai von einem Vermieter für die düstere 75-qm-Wohnung, obwohl der Wasserschaden im Bad und der Schimmel hinter der Wohnzimmertapete seit zwei Jahren nicht behoben wurden; 195,12 € Essensgeld, Kita- und Hortgebühren verlangt das Bezirksamt für schulische und kindergärtnerische Angelegenheiten, obwohl es jeden dritten Tag Kartoffeln mit Magerquark gibt; 194,28 € wollen alle möglichen hoch qualifizierten privaten Lehrkräfte für Klavier-, Schwimm-, Tanz-, Flöten- und Englischunterricht, 45

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