Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
den nächsten Kindergeburtstag planen und eine kurzweilige Diashow für die Rubinhochzeit der eigenen Eltern organisieren könne; wenn man also, kurz gesagt, nicht zu hektischen Flecken und hysterischen Anfällen neige, dann sei man bestens gerüstet fürs Zweitkind.
Also noch ein Kind. Au ja, juhu! Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Sie könnte natürlich versuchen, es auf konventionelle Weise mit einem so genannten neuen Partner zu zeugen. Das hieße aber, sie müsste erst mal wieder einen solchen finden. Und da Männer mittleren Alters bekanntlich nicht vom Himmel fallen, geschweige denn ansprechbereit auf Spielplatzbänken rumlungern – und wenn da doch mal welche sitzen, dann ist das selten die Sorte, nach der man Ausschau hält –, da also volljährige, paarungswillige Singlemänner ganz sicher nicht von allein in Mamas Leben treten würden, müsste sie aktiv auf die Jagd gehen. Zu diesem Zweck müsste sie sich wahrscheinlich am besten in angesagten, aber dennoch niveauvollen Cafés für Menschen ihres Alters herumtreiben und dort auch noch wahnsinnig exaltiert gebärden, damit überhaupt mal wieder einer von diesen smarten Mittvierzigern den Kopf in ihre Richtung wendet. Und sei es nur, um ihr mit genervtem Blick zu verstehen zu geben, dass sie doch gefälligst ein bisschen geräuschloser ihren Power Chai zu sich nehmen solle.
Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass sie auf diese Art tatsächlich in näherer Zukunft einen vertretbaren Kandidaten für den nächsten Lebensabschnitt findet, dann fängt die eigentliche Arbeit leider ja überhaupt erst an. Das eifersüchtige Kind muss dressiert werden, damit es sich in Anwesenheit des Eindringlings von seiner liebreizendsten Seite zeigt. Dann sind mit dem fremden Mann nächtelang Unterhaltungen über – gähn – Gott und die Welt, seine Exfreundinnen, seine Kindheitserinnerungen und seine Zukunftspläne zu führen. Gegenseitig muss sich aus den vergilbten Poesiealben vorgelesen und die Verwandtschaft vorgestellt werden, zusammen muss eine Wohnung bezogen, ein Haus gebaut, ein Baum gepflanzt, eine Waschmaschine angeschafft werden. Heimlich muss sie die Nervenstärke des Neuen testen, seine Toleranzschwelle ausloten und seine Erziehungsmethoden beobachten. Bis sie dann nach viereinhalb gemeinsamen Jahren und drei überstandenen Beziehungskrisen erstmals vorsichtig auf das Thema Nachwuchs zu sprechen kommen dürfte: »Du, hab ich schon erzählt, Uta ist auch schon wieder schwanger. Wahnsinn, dass die sich das noch mal zumutet, den ganzen Babystress. Die durchwachten Nächte und das alles. Ich bin ja heilfroh, dass ich das hinter mir habe. Wirklich. Obwohl es fürs Kind natürlich schade ist, so allein aufzuwachsen. Und vom Abstand her wäre es eigentlich auch nicht schlecht, wenn man nicht ausgerechnet zwei Wickelkinder gleichzeitig hat. Und überhaupt, manchmal denk ich ja, das wäre doch ganz schön, noch mal so ein kleiner Zwerg im Haus. Und du und ich, wir hätten bestimmt echt hübsche Kinder. Aber, na ja, das ist natürlich alles jetzt nur so dahergesponnen.«
Danach braucht der neue Mann vermutlich weitere zwölf Monate, um den Schock zu verdauen. In dieser Zeit muss sie beharrlich bei jedem vorbeifahrenden Kinderwagen wonnig seufzend und trotzdem inbrünstig beteuern, dass sie wenige Wochen nach einer etwaigen Geburt sofort wieder Vollzeit zu arbeiten gedenke, sprich: keineswegs von ihm die Bestreitung ihres zukünftigen Lebensunterhalts erwarte. Und dass sie ihn im Falle einer Trennung niemals, niemals, niemals auf Unterhalt verklagen würde.
Wenn sie all das lange genug durchgehalten hat, wird er vielleicht eines Tages tatsächlich andeuten, dass ein weiteres Kind im Bereich des Denkbaren liegt. Nicht jetzt gleich natürlich, aber so im Laufe der nächsten Jahre vielleicht. – Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu verstehen, warum diese Möglichkeit definitiv ausfällt. So viel fortpflanzungsfähige Lebenszeit hatte sie einfach nicht mehr, als dass sie sie derart hemmungslos hätte vertrödeln können.
Aber wie könnte sie sonst noch schnell und bald an ein Kind kommen? Sich heimlich von einem Liebhaber schwängern lassen? Abgesehen davon, dass sie keinen hatte, wäre ein fiktiver Bettgefährte womöglich beleidigt, wenn sie ihn derart ausnutzen würde. Und wollte vielleicht noch jahrelang darüber diskutieren. Oder regelmäßig zu Besuch kommen, um eine »Beziehung« zu »seinem« Kind zu entwickeln. Grässlicher Gedanke. Auch
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