Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
dass das mit dem Adoptieren nicht erlaubt und das mit dem Klonen noch nicht salonfähig, geschweige denn durchführbar war. Typisch überregulierter Sozialstaat. Und typisch männlich dominierte Forschung. Die moderne Medizin hatte doch sonst schon viel erreicht, wieso also hatte sie es versäumt, dafür zu sorgen, dass man sich als Frau selbst schwängern konnte, und zwar wann, wie und wo man gerade Lust dazu hatte? Durch die Erfindung eines Schwangerschaftsvirus zum Beispiel. Mit dem man sich so anstecken könnte wie mit dem rasselnden Husten, den das Einzelkind regelmäßig aus der Vorschule mitbrachte. Sie hätte alles getan, um sich irgendwo zu infizieren: beim Frauenarzt ihren Hintern auf dem noch warmen Stuhl gerieben, auf dem gerade diese schnaufende werdende Mutter saß, heimlich an den weggeworfenen Taschentüchern der schwangeren Spielplatzmuttis geschnüffelt, im Schwimmbad einer schwitzenden Schwangeren das Handtuch geklaut oder den Löffel abgeleckt, mit dem die kugelrunde Freundin gerade ihren koffeinfreien Kaffee umgerührt hatte. Oder warum konnte man sich nicht selbst befruchten, beim Berühren von anderer Leute käseschmieriger Neugeborener oder beim Anblick eines Fotobildbands mit bunten Blumenwiesen, über deren pralle Kelche die Bienenschwärme kreisten?
Ideal für ihre persönliche Situation wäre eine Mischform aus spiritueller Fremdbestäubung und eigeninitiativer Zellteilung. Besser als ihre Nase in die gebrauchten Taschentücher anderer Leute zu stecken. Und wäre es nicht sehr poetisch, dem Kind in zehn Jahren, wenn es nach seiner Herkunft fragt, sagen zu können: »Ich habe dich mit der ganzen Kraft meines großen Herzens so sehr herbeigesehnt, dass eines Tages dann tatsächlich mein Bauch anfing dicker und dicker zu werden.« Gut, das war kitschig, aber immer noch besser als: »Mir war es mit dem einen Kind zu langweilig, da ging ich des Nachts in eine Wirtschaft und ließ mir von einem schnauzbärtigen Stammgast mit beginnender Leberzirrhose einen Braten in die Röhre schieben.«
Aber es half alles nichts. Selbst dass sie neuerdings den Newsletter dieser amerikanischen Klon-Sekte zugeschickt bekam, hatte sie ihrem Ziel noch nicht nennenswert näher gebracht. Wie man es auch drehte und wendete, um die Sache mit dem Pullermann kam sie offensichtlich nicht herum. Oder doch? Vielleicht sollte sie noch mal das Einzelkind um Rat fragen, das schien sich ja mit den Tücken des weiblichen Unterleibes ganz gut auszukennen: »Mama, hast du wieder die Tage?«
»Mhm. Du, sag mal, willst du eigentlich immer noch ein Geschwisterchen haben?«
»Ja, klar.«
»Aber guck mal, wir haben doch gerade gar keinen Mann dazu. Und du weißt doch, ohne Mann kann ich keins in meinen Bauch machen.«
»Können wir nicht eins kaufen? Aber ich möchte einen Bruder, keine Schwester.«
Na bitte. Spitzenidee. War sie noch gar nicht drauf gekommen. Dabei machten das die ganzen magersüchtigen, allein erziehenden Hollywood-Diven doch genauso. Schickten ihre Shopping-Assistentin los, um einem halbwüchsigen brasilianischen Straßenmädchen mit hübschen dunklen Augen und schönem Teint deren siebtes Kind abzukaufen. Nachdem sie das Sparschwein des klugen Einzelkindes unauffällig um eine Hand voll Münzen erleichtert und in einer ihrer Hosen sogar noch einen zerknitterten 20-Euro-Schein gefunden hatte, beschloss sie, gleich morgen auch endlich das ersehnte Geschwisterchen zu besorgen.
»Aber dass es ein Bruder wird, kann ich dir nicht versprechen. Das kann man sich nämlich vorher nicht aussuchen. Wir nehmen einfach das Billigste, okay?«
Bewerbung No. 89
Sehr geehrter Herr Schulze,
als ich neulich die Fusseln aus den Zehenzwischenräumen meiner Tochter pulte, kam mir die Idee, mich bei Ihnen als Referentin im Ministerium für Familie, Jugend und Soziales zu bewerben.
Warum ich als junge Mutter zurück ins Berufsleben strebe, damit will ich Sie als Experten nicht lange langweilen. Ich sage nur: Trennung, Hartz IV, ALG II. Darüber hinaus will bzw. muss ich noch aus viel wichtigeren Gründen umgehend Arbeit finden. Um Ihnen das zu erklären, möchte ich kurz ausholen:
Ich habe mich, allen Statistiken über die Zeugungs- und Gebärmuffeligkeit deutscher Männer und Frauen zum Trotz, bereitwillig bereit erklärt, zwei (zwei – nicht 1,3!) Kinder zu bekommen und aufzuziehen. Das ist gegenüber der Rentenkasse und den anderen Sozialversicherungssystemen insgesamt sehr nobel von mir, das werden Sie als Experte
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