Wir sind nicht schwul (German Edition)
Rückspiegels zu mir zurückgesehen hat. Wenig später geht die Tür zu meiner Linken auf und Mikage reicht mir die Hand, um mir beim Aussteigen zu helfen.
Sehr sonderbar.
In Tokyo sieht es nicht recht viel anders aus, als in Yokohama. Große Häuser, viele Leute, unvorstellbar bunt und extrem viel Werbung. – Vor allem von Visual-Kei-Bands, J-Rocker und sogar K-Rock/Pop-Gruppen.
Überall!
Es ist umwerfend.
Aber wenn mir jemand anbieten würde, hier zu leben, würde ich glatt abdanken.
Mikage bespricht noch irgendetwas mit seinem Fahrer, der daraufhin wegfährt. Ich habe nicht verstanden, worüber sie gesprochen haben. Dafür habe ich das Auto gesehen, das kurz nach uns ankommt und die Kameraleute mit sich führt, die auch hier ihrer Aufgabe nachkommen und neben uns her rennen.
Mikage bringt mich zu einer Bank, gegenüber der Großen Arena, die der Traum jeder Band ist, hat er mir erzählt. Hat man hier erst einmal spielen dürfen, hat man es schon sehr weit gebracht. Mikage durfte natürlich bereits hier auftreten. Geduldig setze ich mich hin und warte auf ihn. Er will schnell etwas erledigen. In der Zeit erzähle ich der Kamera: „Das alles hier passiert nicht wirklich, müsst ich verstehen. Finn ist normalerweise nicht so dumm und fährt mit einem Verrückten durch die Gegend. Wir sind hier, um nach einem Geigenspieler Ausschau zu halten, oder jemandem, der Trompete spielen kann.“
Mikage ist schneller wieder da, als ich erwartet hätte. Von hinten schlingt er seine Arme um meinen Hals, legt seinen Kopf auf meine Schulter und wackelt mit zwei Tüten Vanilleeis vor meiner Nase herum. Der Preis, mir von ihm die Clubs zeigen zu lassen, ist jetzt schon viel zu hoch. Unabhängig davon, dass ich Vanilleeis liebe. Wenn er das wusste, will ich nicht wissen, woher. „Welche Tüte willst du?“
Die Kameraleute raten mir dazu, die Tüte mit der größeren Kugel zu nehmen, also nehme ich die, mit der kleineren. Alle lachen, wegen meinem trotzigen Verhalten. Ich versuche mein Gesicht so gut wie möglich zu verziehen, um Mikage meine Verständnislosigkeit klar zu machen.
Es hilft alles nichts und jetzt, wo ich schon einmal in Tokyo bin, bin ich leider auf seine Hilfe angewiesen. Wie soll ich sonst jemals wieder zurück finden und das auch noch pünktlich?
Als er dann der Meinung ist, meinen Hals küssen zu müssen, versuche ich ganz ruhig zu bleiben und der Kamera zu erklären, die sowieso nicht wirklich mit mir spricht: „Keine Sorge, das tut er nur, weil die Kamera läuft. In Wirklichkeit ist er nicht so dumm und knabbert an dreckigen Ausländern.“ Dabei versuche ich so süß wie nur möglich zu grinsen. Es hat funktioniert, denn mein Publikum, einschließlich Mikage rufen entsetzt auf. Flüchtige Freude, denn wenig später lachen sie bereits wieder.
Was für ein Kindergarten.
„Keine Sorge, Finn ist in Wirklichkeit nicht so zickig. Das ist er nur, weil die Kamera läuft.“ Gut gekontert, leider.
Schon wieder.
Einen Arm um meine Schulter geschlungen, zieht er mich lachend von den Kameras weg und den Bürgersteig entlang. Er erklärt mir, wo wir uns genau befinden, während ich an meinem Eis lecke. Manchmal erlaubt er sich die Frechheit, etwas von meinem Eis zu klauen, obwohl er selbst eines hat. Sicher aus den gleichen Gründen, aus denen er mich hier her verfrachtet hat.
Er erklärt mir zwar, wie die Straßen heißen, an denen wir entlang gehen und wie manches Haus heißt und um welches Gebäude es sich dabei handelt, aber die Namen sind großteils so kompliziert, dass ich sie mir sowieso nicht merken kann, trotz seinen umfangreichen Schriftzeichenerklärungen. Manchmal kommen ein paar von der Straße auf uns zu und wollen Autogramme. Oftmals von uns beiden. Ich vergebe kein Einziges und dabei ist es mir scheiß egal, wie betroffen und beleidigt die Fans weggehen.
Irgendwann bleiben wir wieder stehen und Mikage lässt mich alleine mit den Kameras zurück. Keine Ahnung, was er jetzt schon wieder vorhat. Ich allerdings, habe einen grandiosen Plan. Hier befinden sich so viele verrückt aussehende Leute, dass ich die Chance ergreife und mir einen vorknöpfe. Die meisten sehen aus wie Musiker, oder zumindest wie Musikliebhaber.
Just perfect.
Ohne nachzudenken zupfe ich am Ärmel eines jungen Herrn, der sich fragend nach mir umdreht. Auch er trägt, wie viele andere hier auch, eine große Sonnenbrille. Begeistert sieht er nicht gerade aus. Ob es daran liegt, dass ich mich so dreist an ihn ran
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