Wir sind nicht schwul (German Edition)
weiß schon, wie viele bereits das Video von heute Morgen gesehen haben.
Ich fühle mich draußen wesentlich wohler, wenn ich glaube, dass man mich nicht erkennt. Dass mich jemand an meiner Frisur erkennen könnte, bezweifle ich. Außerdem werde ich von einer der Säulen begleitet und einem kleinen Kamerateam, bestehend aus zwei Personen, die gespannt jeden meiner Schritte verfolgen.
…
Natürlich habe ich dem nicht zugestimmt!
Wenn ich genau darüber nachdenke, kann ich so unmöglich verloren gehen, wenn ich auch schnell feststellen muss, dass die Kameraleute nicht wirklich mit mir reden wollen, wenn ich sie etwas frage. Es ist, als wenn man mit sich selbst reden würde. Oder mit seinem Haustier.
Manchmal sagen sie mir, ich soll doch bitte sagen, wohin ich gehe und was ich vor habe, jedoch, da ich selbst nicht weiß, wohin ich gehe, kann ich nicht viel dazu sagen. Mir ist das richtig peinlich und auf dem Video, das ich später erst zu sehen bekommen soll, sieht man mir meine Ahnungslosigkeit an.
Es hat mir nicht geschadet.
Lange renne ich noch nicht durch die vollgestopften Straßen, da reicht es mir bereits, weil ich einfach nicht weiß, wo ich zuerst hinsehen soll und wo ich finde, was ich suche. Zum Glück liegt eine Gruppe von Brillenträgern auf einem grünen Hang, die so aussehen, als wüssten sie, wie ich zu diesen „Vorspielclubs“ oder Karaokeclubs kommen kann.
Die Jungs sitzten, oder liegen, im Gras und spielen Gitarre. So schlechte Musik hört man auch nicht alle Tage. Hauptsache sie haben Spaß und lassen sich nicht von mir stören.
Ganz und gar nicht, denn sie ignorieren mich vollkommen! Seufzend wende ich mich wieder ab und versuche wo anders mein Glück – auf einer Bank in einem kleinen Park. Ich sitze einfach nur da und starre vor mich hin. „Das ist fürchterlich“, erkläre ich der Kamera, die mir die Sicht versperrt.
Fürchterlicher wird es vor allem in dem Moment, in dem ein Wagen am Gehsteig anhält, der zum Park führt, in dem ich mich befinde. Kreischende Weiber und Jungs stürzen auf den Wagen zu und die Kameraleute lassen endlich von mir ab.
Zu meinem Glück?
Das dachte ich erst auch kurz, aber dieses Glücksgefühl verfliegt, alsbald das Wesen aus dem Wagen steigt, dem die Leute entgegen schreien. Ein großer Mann muss erst dafür sorgen, die Meute vom Wagen weg zu drängen, bevor er die Tür öffnet und Mikage aussteigt. Schnell unterschreibt er auf dem einen oder anderen Zettel und Arm, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und ich könnte schwören, gehört zu haben, wie manche der Weiber nach mir gefragt haben. Worum es geht, weiß ich nicht Genau, was aber nach dem Vorfall von heute Morgen auch nicht nötig ist. Mikage antwortet, ganz seriös, nicht.
Ob er zur Kleinen Arena möchte, die ganz in der Nähe ist? Schnell erhebe ich mich und versuche in die andere Richtung zu gehen – in die, in die er hopefully nicht will!
„Warte, Finn-chin!“ Mist! Er hat mich doch gesehen! Hätte ich nur nicht so lange geglotzt. Jetzt gibt es eh kein Zurück mehr, also bleibe ich stehen und drehe mich langsam, gespielt überrascht, zu ihm um.
Mit einem Lolly im Mund und ausgebreiteten Armen geht er auf mich zu.
„Was machst du ganz alleine hier draußen?“ Schon hat er mir den Arm um die Schulter gelegt. Seine Größe kommt ihm hier sehr zu Gunsten. Er ist sicher mindestens fünf Zentimeter größer als ich. Trotzig stütze ich meine Hände auf meiner Hüfte ab und schiele zu ihm hinüber, versucht, das kreischende Publikum zu ignorieren. Zum Glück zeigt der Mann, der Mikage die Tür geöffnet hatte, volle Leistung und Einsatzfreude und verscheucht die kleine Menge. Die Kamera bleibt.
„GierO probt bis elf, also habe ich nichts zu tun. Ich suche eigentlich Clubs, in denen junge Talente spielen können.“
Mikage lutscht an seinem Lolly und hält ihn mir wenig später vor den Mund. „Willst du auch mal?“ Schnell schüttle ich den Kopf, er lacht und steckt sich den Lolly wieder in den Mund.
„Also, dafür solltest du lieber nach Tokyo fahren. Das japanische NY. Das geht mit dem Zug ganz einfach, oder soll ich dich hinbringen?“ Bloß nicht!
„Bis elf ist noch viel Zeit“, murmle ich leise überlegend. Für GierO sollte ich es tun. „Ich muss bis elf wirklich wieder hier sein und außerdem musst du mir versprechen, in dieser Zeit die Finger von mir zu lassen.“ Dass ich das extra erwähne scheint ihm sehr zu gefallen, denn sein Grinsen wird wesentlich
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