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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Studium der bisher bekannten Gegengifte; so lernte sie die schrecklichen Mordwaffen Upas Radja, den Milchsaft des Baumes Antiaris roxicaria und den fürchterlichen chinesischen Wurzelsaft Tsau-rou kennen. Und je weiter sie kam, je klarer ihr das Bild der toxikologischen Wissenschaft wurde, um so ruhiger wurde sie in ihrem Inneren, um so größer wurde ihr Interesse und um so weniger schwer lastete auf ihrer Seele der Druck, so weit von Peter entfernt zu sein …
    Es war eine wunderbare Ruhe um sie und in ihr. Sie lebte mit sich selbst in Frieden, sie hatte die große Prüfung ihres Lebens überstanden. Was jetzt kommen würde, war ein großes Glück, das ihr keiner nehmen konnte. Einmal nur war sie wieder nahe an der Grenze einer Unruhe, die ihr inneres Gleichgewicht zu zerstören drohte.
    Das war, als eines Tages der Landbriefträger einen Brief auf ihre Alp brachte. Er kam die Woche einmal in diese einsame Gegend und ruhte sich dann immer bei einem Glas kuhwarmer Milch und einem dicken Faustkäse von der beschwerlichen Kletterei aus. Heute winkte er Angela, die auf der Wiese stand und die letzten Herbstblumen sammelte, schon von weitem zu. Er schwenkte ein blaues Kuvert und hatte vor Aufregung ein hochrotes Gesicht.
    »Nachgeschickt haben sie's, dös Schreiben!« rief er schon von weitem. »Von Köln nach Augsburg, dann nach Schöllang! Und a Marken is aufi, dös wär was für mei Bua!« Er gab den Brief Angela Bender, die über einem Blick auf die bunte, große Briefmarke erstarrte. Columbia stand auf der Marke. Sie zeigte einen Urwaldabschnitt mit einem schnellen Kanu auf einem Fluß. Kreuz und quer über die Adresse waren die Nachsendeanschriften geschrieben. Und der Absender war Dr. Peter Perthes, Bogota, Kolumbien, Südamerika, Casa del Aquino.
    »Es ist gut«, sagte sie schwach und steckte den Brief in die Schürzentasche.
    Der Briefträger sah sie erstaunt an. »So a schöne Marken! Dös wär was für mei Bua, für mei Franzel«, wiederholte er zur deutlichen Einprägung. Angela Bender nickte zerstreut.
    »Ich hebe sie Ihnen auf. Wenn Sie das nächstemal kommen, können Sie sie haben.«
    Sie wandte sich ab und eilte ins Haus. Der Brief muß sie gar mächtig mitnehmen, dachte der Briefträger und ging kopfschüttelnd zu dem langgestreckten Wirtschaftsgebäude, um sich sein obligates Glas Milch und den Handkäse zu holen.
    Den ganzen Abend saß Angela vor Peters Brief und wagte nicht, ihn zu öffnen. Ich habe endlich meine Ruhe gefunden, dachte sie, und jetzt soll dieses gehetzte Leben weitergehen? Dieses Warten? Vorwürfe, Gewissensbisse und Unschlüssigkeit … Nein! Ich habe mit der Vergangenheit gebrochen, um eine neue Zukunft zu erringen. Und es gibt in der Welt, die ich verließ, nichts mehr, was mich zurückholen könnte, auch ein Dr. Peter Perthes nicht. Und auch wenn er der Vater des Kindes ist, das im nächsten Jahr in diese Welt blinzeln und schreien wird – er hat kein Recht mehr, mir von neuem meinen inneren Frieden zu rauben.
    Sie ergriff den Brief, löste unter einem dünnen Wasserstrahl aus der Wasserleitung, die durch eine Motorpumpe betrieben wurde, die bunte Briefmarke vom Umschlag und ging dann zum Ofen, der mit seinen großen, gemauerten Steinen eine ganze Ecke des Zimmers einnahm. Dicke Buchenscheite prasselten in den Flammen.
    Ob er krank ist? durchzuckte es sie. Vielleicht schreibt er, daß er mit Fieber in Bogota liegt und bald zurückkommt? Vielleicht geht es ihm schlecht in der Fremde? Sie zögerte und sah den Brief wieder an. Soll ich ihn doch öffnen? Nur dieses einzige Mal?
    Sie biß die Zähne aufeinander. Nein! Peters Worte kamen ihr in den Sinn, als sie am Anfang ihrer Bekanntschaft über die geplante Forschungsreise sprachen und Angela ihn bat, diesen Plan aufzugeben. »Es gibt im Leben nur zwei Worte für mich: Ja oder nein! Alle Kompromisse, alles Ausweichen ist nur Feigheit vor den Konsequenzen. Ein Mensch, der im rechten Augenblick mit Ja oder Nein antworten kann, wird immer der Bevorzugte sein.« Und sie hatte geantwortet: »Durch ein schroffes Ja oder Nein ist schon vieles zerbrochen worden. Nichts ist härter für eine Frau, als in ein logisches System gepreßt zu werden, das ein ganzes Leben beherrschen soll. Gerade Frauen gegenüber muß man ein wenig kompromißbereit sein.« Und Peter hatte lachend seinen Kopf geschüttelt. Er sah wie ein großer Junge aus, wenn er lachte, und er antwortete: »Beste Kollegin, ich kannte in Mexiko einen Rancher, der zu mir sagte:

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