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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von Kälte gerötetes Gesicht mit einem kleinen, eisgrauen Spitzbart, einer großen Goldbrille, unter langen weißen Haaren eine hohe Stirn. Ein freudiger Schreck durchfuhr Angela.
    »Herr Professor Purr?« Sie streckte ihm beide Arme hin. »Sie – in Schöllang?«
    »Ich muß zurückfragen: Sie?« Er schaute sie prüfend an.
    Angela trat mit dem Professor zur Seite, während der Bauer mit seiner Familie zum nächsten Gasthaus fuhr, um dort zu warten und einen heißen Grog zu trinken.
    »Wie lange haben wir uns nicht gesehen?« fragte Professor Purr.
    »Warten Sie einmal: Sie famulierten damals in Erlangen bei mir. Dann machten Sie Ihr Staatsexamen und Ihre Promotion mit einer Arbeit über die spinale Kinderlähmung. Wirklich eine ausgezeichnete Arbeit! Ich habe es damals sehr bedauert, daß Sie uns verließen und diese Assistenz in Köln annahmen.«
    Dr. Bender zuckte mit den Schultern. »Was sollte ich tun, Herr Professor? Ich hatte mein Studium beendet, nun mußte ich Geld verdienen. Die Sorge aller jungen Ärzte! Bei Ihnen konnte ich nicht bleiben, die Universitätsklinik zahlte zu schlecht …«
    »Sie waren eine meiner liebsten Schülerinnen«, unterbrach er sie wohlwollend. Er blickte an ihr herunter und bemerkte trotz des Pelzes ihren Zustand. »Ist Ihr Gatte ein Kollege?« fragte er.
    »Nein.« Angela sah ihm frei in die Augen. »Ich bin nicht verheiratet.«
    »Oh, Verzeihung!« Professor Purr biß sich auf die Lippen. »Hm – sind Sie zur Erholung hier?« Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern plauderte weiter: »Ich habe mir mal eine Woche Pause gegönnt. Auch ein Ordinarius für Medizin muß mal ausspannen. Ich fahre nächsten Freitag nach Erlangen zurück. Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
    Angela Bender schüttelte den Kopf. »Sehr nett von Ihnen, Herr Professor. Ich habe alles.«
    »Wirklich alles?« Er sah sie groß an.
    »Ja, Herr Professor.«
    »Dann ist es gut.« Er wechselte das Thema. »Praktizieren Sie noch in Köln?«
    »Jetzt nicht mehr. Ich werde ein Jahr aussetzen müssen.«
    »Und dann?«
    »Das weiß ich noch nicht. Wenn man mich wieder zuläßt …« Sie hob die Arme. »Irgendwo wird sich schon eine Praxis finden. Oder eine Kinderklinik.«
    Professor Dr. Purr wischte mit der Rechten durch die Luft. »Nichts da! Jetzt habe ich Sie! Sie wissen also nicht, was wird. – Wenn Sie wieder anfangen wollen, kommen Sie zu mir. Ich werde Ihnen in Erlangen eine Praxis besorgen und dazu ein paar Betten in der Universitätsklinik. Und um manches zu vergessen –« er stockte, »ich darf doch als väterlicher Freund so zu Ihnen sprechen? – werden wir beide uns auf die spinale Kinderlähmung stürzen und unseren alten Feind aufs neue bekämpfen. Wir haben da übrigens schon einige neue Wege entdeckt, aufbauend auf Radioaktivität und Atomenergie.« Er reichte Angela die Hand. »Dr. Bender, versprechen Sie mir: Sie werden zu mir nach Erlangen kommen!«
    Einen Augenblick lang zögerte Angela, dann schlug sie ein und drückte herzlich die Hand ihres alten Lehrers. »Ich werde kommen«, sagte sie leise. »Nur wann – das weiß ich noch nicht. Es könnte länger dauern, als Sie hoffen.«
    »Einmal werden Sie aber auf jeden Fall kommen. Und das ist für mich ein Zeichen, daß Ihre Seele gesund geworden – oder geblieben ist!«
    Professor Purr begleitete Angela bis zu dem Wirtshaus, wo der Schlitten wartete. Die Pferde dampften in der kühlen Luft und fuhren mit schnaubenden Nüstern in den Pulverschnee, der auf einer Treppenbrüstung lag. Beim Abschied versprach Dr. Purr, Angela vor seiner Abreise auf der Alp zu besuchen, am Freitag. Dann sah sie ihn, hinter einer Gardine am Fenster des Gasthofes stehend, zu seinem Auto gehen, das auf dem Marktplatz stand.
    Nach Erlangen, dachte sie froh. An die Klinik von Professor Dr. Purr. Das war eine Ehre für eine so junge Ärztin, eine große Auszeichnung! Wo internationale Größen der Medizin die Klinik mit ihren fortschrittlichsten Einrichtungen besuchten, durfte sie arbeiten, unter den Augen eines der besten Kinderärzte Europas. Sie fühlte ihr Herz schlagen. O Peter, dachte sie, wenn du das jetzt hören könntest. Und sie erschrak wieder, weil sie doch immer wieder an Peter Perthes denken mußte …
    In der Kölner Lindenburg saßen Professor Window und Dr. Sacher über einem Brief, der amtlicherseits aus Villavicencio gekommen war. In nüchternen, knappen Worten wurde mitgeteilt, daß dem Bezirksamt Meta, der Provinz, zu der Zapuare gehörte,

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