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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Chirurgen. Er nahm das Schreiben und ging zu Professor Window, der gerade vor dem Röntgenschirmbetrachter stand und vor der erleuchteten Milchglasscheibe die Aufnahme eines komplizierten Aneurysma aortae betrachtete.
    »Du kommst wie gerufen, Paul«, sagte er, ohne den Blick von dem Röntgenbild zu nehmen. »Ein seltener Fall! Sieh mal, ein Aneurysma der Bauchaorta! Sauerbruch hat einmal einen solchen Fall mit elektrischem Strom verödet und darüber geschrieben. Das können wir hier nicht. Es ist die Frage: Was tun?«
    Paul Sacher warf einen kurzen Blick auf das erleuchtete Bild und setzte sich dann in einen Sessel, den Brief Dr. Cartogenos auf den Tisch werfend.
    »Hast du das gelesen?« fragte er dann.
    Der Professor blickte zur Seite. »Den Brief aus Zapuare? Natürlich. Armer Kerl, der Peter.«
    »Armer Kerl! Armer Kerl!« Dr. Sacher war aufgesprungen. »Da sitzt er im Urwald und verkommt. Und keiner ist da, der ihm hilft!«
    »Herr von Barthey wird zu ihm fahren.«
    »Von Barthey?« fragte Sacher erstaunt und hielt ruckartig in seiner Wanderung durch das große Zimmer inne. »Was will ein Bankier bei Peter? Ein guter Arzt muß hin!«
    »Wenn sich Peter nicht selbst helfen kann, wird es kaum ein anderer können. Am allerwenigsten wir, Paul, denn ich weiß, was du sagen willst: Ich fahre nach Zapuare! Laß den Unsinn, Paul, es hat überhaupt keinen Sinn! Hier wirst du nötiger gebraucht.«
    Professor Window zeigte auf das Röntgenbild vor der erleuchteten Milchglasscheibe. »Hier – dieses Aneurysma, das wartet auf uns, nicht Peter Perthes! Die Patientin ist Mutter von fünf Kindern, und wenn wir sie retten, haben wir eine Familie erhalten. Diese Frau ist uns näher als unser Freund, muß uns näher sein, Paul, denn sie kam zu uns – voller Vertrauen, daß wir sie retten. Sie weiß nicht, wie krank sie ist, sie weiß auch nicht, wie gering die Aussichten sind, ihr Leben zu erhalten. Hier liegt unsere Aufgabe! Zwischen dieser Patientin und Peter Perthes liegen einige tausend Kilometer … sie nehmen dir die Verantwortung für Peter ab, aber nicht für diese Mutter von fünf Kindern …«
    Dr. Sacher blickte zu Boden. Er schloß für einen Moment die Augen, dann trat er an den Ständer heran und stand neben dem Professor vor dem Röntgenbild.
    Unter der Bauchdecke wölbte sich deutlich der Aneurysmasack.
    »Wann?« fragte Dr. Sacher heiser.
    »Heute nachmittag, OP 1«, antwortete der Professor und nickte. »Ich wußte, daß du vernünftig bist, Paul.«
    Als Dr. Sacher das Zimmer des Chefarztes verlassen hatte, blieb er kurze Zeit vor der Tür auf dem Flur stehen. Er wischte sich die Augen aus und dachte wieder an den Brief, der auf des Professors Schreibtisch lag.
    Ich werde zu von Barthey gehen, dachte Paul Sacher. Ich werde ihn bitten, mich mitzunehmen. Ich bin es schon Angela schuldig, daß alles für Peter getan wird. Für sie tue ich es, ich kann sie nicht unglücklich sehen … Und ich weiß doch, daß sie nur glücklich wird, wenn Peter endlich lebend zurückkommt …
    Am Abend nach der schweren Operation fuhr Dr. Sacher in die Villa des Bankiers. Es wurde eine lange Unterredung, in der er um seinen Plan mit der Kraft eines Fanatikers kämpfte. Sosehr Dr. Sacher auch bat und bettelte – Bankier von Barthey lehnte eine Begleitung ab. Er wollte allein fahren. »Nicht, daß ich Sie, lieber Herr Sacher, nicht bei mir haben wollte«, sagte er und hoffte auf Verständnis, »aber bedenken Sie die nervliche Belastung für Ihren Freund, wenn er Sie groß und rüstig vor sich sieht und muß Ihnen auf seinen Krücken entgegenhumpeln! Der ganze Schmerz über das, was er verloren hat, wird in ihm wieder wach werden. Ich bin ein alter Mann, ich kann als Vater zu ihm reden – keine Konkurrenz seiner Generation, verstehen Sie? Glauben Sie mir, es ist besser, wenn ich allein fahre.«
    Professor Window, als er davon hörte, sah es sofort ein. Bei Sacher dauerte es länger. Sein stiller Plan blieb es, mit nach Zapuare zu fahren und dann, unter Außerachtlassung seines Kölner Klinikvertrages, einfach bei Peter im Urwald zu bleiben. Ein Toxikologe, ein Internist und ein Chirurg … so wollten sie sich den Gefahren der grünen Hölle entgegenstemmen.
    Der Professor ahnte es und unterstützte die Auffassung des Bankiers. »Paul, es wäre eine ausgesprochene Dummheit, Peter in seiner jetzigen Verfassung aufzusuchen. Wenn er in Zapuare bleiben will, haben wir später immer noch die Möglichkeit, ihn aufzusuchen.« Und dann

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