Wir sind nur Menschen
interessierte ihn die bisherige wissenschaftliche Ausbeute der Expedition. Man hatte in Köln bereits mit Unterstützung seines Bankhauses eine im Augenblick noch kleine chemisch-pharmazeutische Fabrik gegründet und außerhalb der Stadt – nach Frechen zu – ein Fabrikgelände erworben und aus den Trümmern der Kriegszeit, die das Gelände noch bedeckten, eine vorerst einstöckige Halle mit den notwendigen Abteilungen und Verwaltungsräumen in Bau genommen.
Von Zapuare aus war – neben den Unglücksnachrichten und einigen allgemein gehaltenen Briefen – nichts Wesentliches nach Köln gedrungen. Man schwieg in Kolumbien über Erfolge; aber daß man Erfolge erzielt hatte, bewies doch die Tatsache, daß Dr. Perthes durch ein Serum gerettet wurde, das noch in der Erprobung stand …
Auch die wundersame Begegnung mit dem Häuptling Sapolàna, die wochenlang die Spalten der Weltpresse füllte und zu den großen Zeitungssensationen gehörte, bewies, daß der junge deutsche Arzt eine Droge besaß, die es ihm ermögliche, bisher als unheilbar geltende Pfeil- und Tiergifte zu besiegen.
Das Schreiben Dr. Cartogenos, das der Bankier wohl zehnmal aufmerksam durchgelesen hatte, sagte aber noch mehr als die nüchterne Tatsache, daß Dr. Perthes vor dem Schlimmsten gerettet worden sei. Es standen nämlich Sätze darin, die Professor Window, Dr. Sacher und schließlich auch dem Bankier von Barthey zu denken gaben und den Plan des letzteren verstärkten, selbst nach Zapuare zu fahren.
»Dr. Perthes ist trotz seiner Lähmung«, hieß es da, »guten Mutes. Wir alle kennen ihn ja – er schont sich nicht, sitzt Tage und Nächte in seinem Rollstuhl und setzt die Versuchsreihen fort, die wir durch seine Erkrankung unterbrechen mußten. Die Erfolge sind noch nicht abzusehen. Vielleicht hegt er die stille Hoffnung, ein Antitoxin zu entwickeln, das seine Lähmung lindern oder gar aufheben kann, falls die bereits stark angegriffenen Nerven nicht eine neue Tätigkeit verweigern und resistent bleiben. – Vor ein paar Tagen haben wir drei Affen gefangen und sie infiziert. Sie zeigten nach drei Stunden Atemlähmungen und Gliederschmerzen, nach fünf Stunden Krämpfe und Koliken. Ein Affe starb an Herzinfarkt – zwei Affen konnten durch die Injektion von dreimal fünf Kubikzentimeter eines neuen Serums, das wir in der Retorte erzeugt hatten, vor dem Exitus gerettet werden. Allerdings blieb die Lähmung der Gliedmaßen bestehen, am nächsten Tag starb der eine der beiden Affen an Atemlähmung. Dr. Perthes versuchte nun, aus dem Blut dieses Affen die Gifte zu kristallisieren, um mit ihnen ein neues Antitoxin zu schaffen. Der Versuch mißlang aber leider, weil wir mit unseren mangelhaften Instrumenten nicht die einzelnen Toxine bestimmen konnten …«
Hier war der Brief unterbrochen worden. Dr. Cartogeno hatte ihn, wie das Datum besagte, erst zwei Tage später fortgesetzt.
»Gestern kamen«, schrieb Cartogeno weiter, »Abgesandte des Häuptlings Sapolàna und brachten Dr. Perthes einen Trank des Medizinmannes der Taràpas. In einem ausgehöhlten Kürbis schwappte eine dunkle, dicke Brühe, die nach Zink roch. Wir bedankten uns bei Umari, einem Unterhäuptling, der selbst gekommen war, und begannen dann, den Saft zu analysieren. Das war aber nicht möglich, da die rein chemische Zusammensetzung keinen Aufschluß geben konnte über die bei der Herstellung verwendeten Pflanzen- oder Wurzelsäfte. Nur soviel konnten wir erkennen: Es muß sich bei der Grundlage dieses Saftes um das Öl einer uns unbekannten Wurzel handeln, das die Wilden durch Auspressen der Wurzeln gewinnen. – Dr. Perthes nun flößte sofort von diesem Brei dem noch überlebenden Affen eine Dosis ein, und wir konnten zu unserer Freude beobachten, daß der Affe nach zehn Stunden die gelähmten Arme um zehn Zentimeter aufwärts bewegen konnte! – Obwohl ich ihn warnte, war Dr. Perthes daraufhin nicht aufzuhalten, selbst von dem Brei zu trinken. Um siebzehn Uhr trank er – bis heute ist aber noch keine Besserung zu erkennen. Wenn Dr. Perthes es auch nicht zeigt, so bemerke ich doch, daß er durch diesen neuerlichen Fehlschlag sehr gelitten hat. Er ist noch verbissener geworden, härter, noch zäher im Kampf gegen das Gift. Er will es nicht zeigen, aber dieser Fehlschlag hat ihm viel Mut geraubt. Wenn wir doch noch irgendeinen Erfolg mit den neuen Präparaten haben könnten …«
Als dieser Brief in der Lindenburg ankam und Dr. Sacher ihn las, verfärbte sich das Gesicht des
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