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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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begründet!« Er drückte Wolf von Barthey die Hand. »Ihr Besuch hat mir wieder Lebensmut gegeben. Ich bekenne es, unter uns, Herr von Barthey.: Ich hatte keine Lust mehr. Ich wollte einfach nicht mehr. Gelähmt, verurteilt, mein Leben unter giftigen Blüten zu beenden. Nein! Oft stand ich abends am Ufer und sah den Piranhas zu, wie sie mit ihren messerscharfen Zähnchen einen Körper in wenigen Sekunden bis zum Gerippe abnagen. Ein wenig Schlafpulver, am Ufer eingenommen, und sich betäubt in den Fluß fallen lassen … Man hätte nie gewußt, wo Dr. Perthes geblieben ist …«
    »Das ist doch Irrsinn!« Herr von Barthey starrte Peter an. »Wie konnten Sie nur so denken?«
    »Sie können wohl nicht nachempfinden, was es heißt, durch den Biß einer lächerlichen Spinne nicht nur gelähmt, sondern innerlich vollkommen verseucht zu sein. Wir wissen doch nicht, wie das Blut reagiert – in einem Jahr, in zwei oder drei Jahren … Vielleicht erst in zwanzig? Es war ein ständiges Warten, ein quälendes, tägliches Selbstbeobachten: Breche ich zusammen? Ist es jetzt vorbei? Oder läßt mich das Gift noch gnädigst die morgige Sonne sehen? Ich war einfach am Ende! – Und da kam dieses geheimnisvolle Päckchen! Es kam aus Deutschland. Anonym! Und die zehn Ampullen mit der milchigweißen Flüßigkeit, mit diesem Serum aller Sera, brachten die Wende! Mein Blut wurde gereinigt, das Serum gab mir mein Leben zurück. Sie haben es ja selbst gesehen … meine ersten Schritte … das neue kindliche Tasten meiner Beine. Und ich begriff es nicht …«
    »Es war wie ein Wunder«, sagte Wolf von Barthey leise und erschüttert.
    »Und es war ein Triumpf der Wissenschaft! Der einmalige Sieg eines Forschers, der sich im Hintergrund hält, den noch keiner kennt. Darum muß ich nach Deutschland, nur darum! Ich muß diesen Mann finden! Ich will ihm danken, und ich werde keine Ruhe haben, bis ich vor ihm stehe! Sie verlassen nun Zapuare – und mich werden dreitausend Taràpas jagen, wenn ich Ihnen folge! Ich habe aber wieder neuen Mut, ich habe in Ihnen die Heimat wiedergesehen … und ich werde Ihnen folgen!« Er hielt Wolf von Bartheys Hand fest. »Warten Sie auf mich in Bogota – ich komme bestimmt!«
    »Ich warte, Dr. Perthes«, sagte der Bankier fest.
    Sie gaben sich noch einmal die Hand und blickten sich in die Augen. Es war ein Versprechen unter Männern, das nie gebrochen werden würde. Dann wandte sich der Bankier ab, ging hinaus auf die Veranda, verabschiedete sich von Dr. Cartogeno und bestieg sein Pferd.
    Peter Perthes stand am Fenster und blickte der weißen Gestalt nach, bis sie sich im dunklen Grün der Ferne auflöste. Der Kolumbianer stand hinter ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Du bleibst, Peter?« fragte er.
    Der Freund schwieg. Dr. Cartogeno verstand diese Antwort und wandte sich ab. Er packte das Nötigste zusammen, Konserven, Hartkekse, zwei Revolver, Munition, Feldflaschen mit Tee, Spritzenkästen mit Gegengiften, ein Arztbesteck, einen leichten Regenmantel aus Ölhaut …
    »Ich werde in der Nacht den Rio Guaviare hinabrudern«, sagte Cartogeno, während Peter noch immer am Fenster stand und hinausblickte auf den Wald, in dem Wolf von Barthey verschwunden war. Dort liegt meine Heimat, dachte er wehmütig. Deutschland! Er lehnte den Kopf an den Fensterrahmen …
    Ich habe Heimweh, dachte er. Plötzlich habe ich Heimweh nach dem Rhein, nach den duftenden Tannenwäldern, den alten Eichen mit den breiten Kronen, den schlanken, zierlichen Birken und den flimmernden Sternen am dunkelblauen Himmel. In wenigen Monaten wird es schneien …
    Weiß ich denn überhaupt noch, so gingen seine Gedanken weiter, wie Schnee aussieht? Weiße, leichte Flocken schweben aus dem blaugrauen Himmel, man fängt sie auf, und in der Hand werden sie zu wunderlichen Kristallen, die dann zu Wasser schmelzen. Rosen des Himmels sind es, weiß und so zart, daß sie die menschliche Berührung nicht ertragen.
    Die Heimat! Die Heide, weit, unendlich fast, ein violetter Teppich! Die Berge, Felsenspitzen, die in den ziehenden Wolken verschwinden … Die See. Weißer, weicher Sand, an den die Wellen rollen und die Füße umspülen, als wollten sie ein Kuß der Ewigkeit sein …
    Mein Gott, habe ich Heimweh …
    Die Stimme des Freundes riß ihn aus seinen Gedanken.
    »Vor mich ins Boot werde ich eine Puppe setzen, in einem deiner Anzüge. Der Dolmetscher will sie mir aus Leinen flechten. In der Nacht kann man das nicht so genau erkennen.

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