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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hielten einen blutdurchtränkten Stofffetzen.
    »Paul?« Panik durchfuhr Billi. »Paul!«, schrie sie, nahm seinen Kopf in beide Hände und drehte ihn behutsam ins Licht. Im gleichen Moment stöhnte sie auf. Es war nicht Paul und – der junge Mann war tot. Seine Papiere steckten in der rechten Jackentasche, völlig unversehrt. Peter König stand dort. Noch einmal streifte ihr Blick den toten Körper: die dunklen Haare, das schmale Gesicht, die schlanke Gestalt, sogar die Größe stimmte ... Vielleicht könnte das Bild sogar bleiben, aber das sollten die Jungs entscheiden. Sie ließ die Papiere unauffällig in ihre Kitteltasche gleiten und zog Peter die Decke über Körper und Kopf.
    »Glaub mir«, flüsterte sie ihm zu, »da, wo du jetzt bist, ist es tausendmal besser als in dieser Hölle. Verzeih mir das mit den Papieren, aber du machst einem anderen damit die Hölle erträglicher – und du brauchst die Papiere ja nicht mehr.«
    Peter König würde Paul einen neuen Namen geben, eine neue Identität.
    Paul – Peter. Peter – Paul, schwirrte es in ihrem Kopf. Für Peter König konnte sie nichts weiter tun, als ihn mithilfe einer anderen Schwester in den Keller zu den anderen Leichen zu bringen. Sie nahm sich vor, Franzi zu bitten, ihm einen Kranz zu binden. Billi freute sich schon auf die Gesichter der anderen, wenn sie ihnen die Papiere zeigen würde.
    Erst einige Tage später schaffte sie es, sich für ein paar Stunden freizunehmen und zur Gartenkolonie zu laufen. Immer wieder fühlte sie in ihrer Jackentasche nach den Papieren. Unterwegs traf sie Bastian, der sich ihr sofort anschloss, obwohl er einen langen Arbeitstag bei Ford hinter sich hatte.
    Unter dem Apfelbaum hatte Paul in der Zwischenzeit vier Holzstangen aus dem Bohnenfeld aneinandergestellt und oben zusammengebunden. Hotte hatte ihm Zeltbahnen organisiert, die sie über die Stangen geworfen hatten. Man konnte hineinkriechen oder im Gras davor hocken. Paul schlief inzwischen lieber draußen als in der muffigen Bretterbude.
    »So kann ich die Sterne sehen ...«, sagte er, »und schneller abhauen.«
    Franzi, Hotte, Fatz und Ralle saßen bereits im Gras – und Opa Tesch. Opa Tesch besuchte ihn oft. Er brachte immer etwas mit: einen Becher Muckefuck, Brote mit Schmalz oder Tomaten. Er hockte sich auf den groben Hackklotz und schmauchte seine Pfeife. Paul teilte seinen Tabak mit ihm.
    Gerade als Billi und Bastian kamen, hörten sie Opa Tesch sagen: »Du musst etwas aus dem Garten machen.«
    »Opa Tesch, ich bin nur auf der Durchreise«, antwortete Paul.
    »Sicher«, sagte der und stopfte seine Pfeife.
    »Ganz sicher«, mischte sich Billi ein. »Hier, deine Reisepapiere.«
    Alle sahen neugierig auf das, was sie aus der Jackentasche zog und Paul unter die Nase hielt.
    »Was ist das?« Paul nahm den Ausweis vorsichtig entgegen und sah Billi fragend an. Und während sie erzählte, wie sie an die Papiere gekommen war, nahm er das Foto genauer unter die Lupe.
    »Lass mal sehen.« Bastian nahm den Ausweis. »Alter und Größe stimmen, sogar die Haare. Aber das Gesicht ...« Er schaute vom Foto hoch zu Paul und wieder zurück auf das Foto. »Das Gesicht stimmt nicht ganz. Es ist schmaler und die Wangenknochen ... Das könnte Schwierigkeiten geben.«
    Bastians kritischer Blick dämpfte die erste Begeisterung, aber nach näherer Betrachtung des Fotos waren sich alle einig, dass er recht hatte. Es musste ein anderes Foto in den Ausweis.
    »Also brauche ich erst mal ein Passfoto.« Paul lehnte sich an den Hackklotz und blickte fragend in die Runde.
    »Ja, aber selbst wenn du ein neues Foto hast, kannst du es ja nicht einfach so reinkleben«, gab Franzi zu bedenken. »Das muss ein Experte machen, das mit den Stempeln und so. Sonst fliegst du doch bei der ersten Kontrolle auf.«
    Schweigen machte sich breit. Zu hören war nur das saugende Geräusch, wenn Opa Tesch an seiner Pfeife zog, und ein weit entferntes, dumpfes Grollen.
    Nach einer ganzen Weile sagte Opa Tesch: »Zu einem Foto kann ich dir wohl verhelfen, Junge.« Und er klopfte Paul aufmunternd auf die Schulter. »Aber Passfälscher kenne ich keine.«
    »Ralle, du hast mir doch neulich von einem KZ -Häftling erzählt, der abgehauen ist und sich in den Trümmern versteckt hält. Der Bombenräumer. Ihr wisst schon, die, die Blindgänger entschärfen. Von dem erzählt man sich wahre Wunderdinge«, sagte Bastian.
    Hotte sah ihn scharf an. »Du denkst doch nicht etwa an Otto? Ich weiß, wo der untergekrochen ist.

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