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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sagte er und grinste Bastian an.
    »Halt bloß die Klappe«, fauchte Fatz, »sonst komm ich mal kurz rüber.«
    Gegenüber saß Hotte. Sein Blick lag erbarmungslos auf Karlu Meisner und den anderen Hitlerjungen. Zwischen ihren Füßen stapelte sich ihr Einsatzwerkzeug. Schaufeln, Äxte, schwere Hämmer, Eimer, Seile, der Atemschutz. Ralle hatte sich endlich von den Trümmern seiner Gitarre getrennt und saß, den Kopf tief in die Jacke gezogen, an Fatz gelehnt. Über den Boden und durch die Wände fuhr ein Zittern. Beklemmung breitete sich aus. Es war heiß und stickig und inzwischen ganz leise. Dann erschütterten harte Schläge die Wand. Das Rauschen einstürzender Hauswände. Sog – Druck. Sog – Druck. Manche zogen die Köpfe ein. Was blieb, war ein Summen aus Flammen, Hitze und bröckelnden Mauern ...
    Das Summen verklang.
    Ihr Truppführer, ein kriegsversehrter Leutnant, lehnte an der Bunkertür und lauschte. Er warf einen Blick auf das Leuchtziffernblatt seiner Armbanduhr. Unter seinem Stahlhelm lief ihm der Schweiß ins Gesicht. Er wischte sich mit einem nassen Taschentuch über die Stirn und rückte die Augenklappe zurecht. Er war schon ein alter Hase. Vor genau einem Monat hatte er seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert.
    Sie hatten es von drinnen genau hören können: Die erste Angriffswelle warf Sprengbomben. Sie rauschten aus den Wolken wie Schwärme auffliegender Tauben und jagten auch die letzten Menschen noch in Keller und Bunker. In der zweiten Welle waren die Explosionen der Brandbomben kurz und hart. Danach kamen die Luftminen. Sie rissen die Fenster und Türen heraus und deckten die Dächer ab. Die Funken flogen nach innen, das Feuer bekam Luft und breitete sich rasend schnell aus. Dann kamen wieder Sprengbomben. Sie zwangen die Menschen, in Kellern und Bunkern zu bleiben, und hinderten sie daran, das Feuer zu löschen. Das war alles genau berechnet. Wenn die Sirenen dann Entwarnung gaben, wimmelte es von Toten vor ihren heruntergebrannten Häusern.
    Manche bekreuzigten sich, schrien laut auf, fluchten und beteten, andere hielten nur krampfhaft die Hand des Nachbarn. Keiner sprach. Nur Kinder stellten Fragen, pressten sich aber gleichzeitig mit den Fäusten die Ohren zu und verkrochen sich in den Schoß eines Erwachsenen.
    Bastian spürte Karlu Meisner neben sich. Dessen linkes Bein zitterte an Bastians rechtem Knie. Karlu hielt den Kopf gesenkt und verschränkte die Arme unter seiner Brust. Hotte saß unbeweglich und starrte an die Decke. Sein Mund bewegte sich lautlos.
    Ihr Truppführer sah auf seine Uhr und hob den Arm. Das war ihr Zeichen. Die Lähmung fiel von ihnen ab. Sie kramten ihr Werkzeug zusammen, knöpften die Jacken zu, schnallten die Feuerlöscher auf den Rücken und schnürten den Helm fest. Sie tauchten Tücher in die Wassereimer neben der Tür und benetzten ihre Gesichter und tranken Wasser, so viel sie konnten. Das half gegen Hitze und Feuer.
    Der Truppführer befahl ihnen, eine Reihe zu bilden und beieinanderzubleiben.
    Paul hörte in seiner Gartenlaube das Dröhnen der einfliegenden Maschinen und dann erst die Sirenen des Vollalarms. Er trat vor die Tür, sah in die Wolken und dann in Richtung Stadt. Christbäume senkten sich. Er spürte das Wummern der Flak in seiner Magengegend. Dann fielen die ersten Bomben. Ihr Lichtschein lag über der Innenstadt und dort, wo Paul den Dom vermutete. Er blickte in Richtung Ehrenfeld. Paul lief los. Er wollte in die Landmannstraße, in die Nähe des Takuplatzes.
    Paul wusste, dass Bastian im Bunker sein musste und dass Frau Frei mit Elli und der Oma im Keller hockte. Während er lief, spürte er die Erschütterungen der Einschläge unter seinen Füßen. Der Himmel über Köln verfärbte sich. Gelbes, weißes, rotes Licht. Zuckende Blitze. Paul rannte.

    DER
    TRUPP
    STIEG aus dem Bunker. Bastian konnte nicht erkennen, ob der Takuplatz viel abbekommen hatte. Sie zogen in Richtung Stadt. Es brannte, von der Südbrücke bis zur Mülheimer Brücke. Und auch das konnten sie nur ahnen, denn vor ihnen war eigentlich nur eine Feuerwand. Die Flak schoss nicht mehr. Doch die Sirenen hatten noch keine Entwarnung gegeben. Sie lauschten auf die Flugzeugmotoren. Das Geräusch entfernte sich. Immer noch schlugen Bomben ein. Sie marschierten weiter und versuchten, den Kontakt zum Vordermann nicht zu verlieren. Auf der Kanalstraße wurden sie eingewiesen, nach rechts abzubiegen. Straßen existierten nicht mehr. Stattdessen überall glühende,

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