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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Ein Handkarren, beladen mit Brennholz, wurde vorbeigeschoben.
    An einer Mauer reparierte ein Junge ein Fahrrad. Er hielt eine Luftpumpe in der Hand und fluchte, wobei er ängstlich in den Nachthimmel schaute. Auf den Gepäckträger hatte er einen Koffer geklemmt. Nördlich von ihnen standen Christbäume am Himmel und die Flak in Ossendorf wummerte. Bastian ging hin und pumpte die Reifen auf. Der Junge lächelte dankbar und fuhr klingelnd und winkend davon. Von Weitem bimmelte die Straßenbahn. Bastian hockte sich neben Paul in den Rinnstein, wischte die Hände an der Hose ab und kramte die Zigaretten heraus.
    »Leverkusen oder Düsseldorf«, sagte Bastian und zeigte mit den Augen auf die Christbäume. Paul nickte. In unregelmäßigen Abständen zitterte der Boden unter ihnen. Es war kalt. Bastian war schon bereit aufzugeben und sah zu, wie Paul auf dem Hosenboden im Straßenstaub saß, den Rücken an die Kioskwand gelehnt, und scheinbar teilnahmslos in den Nachthimmel starrte. Der hat es gut, dachte Bastian. Paul konnte einfach so dasitzen und mit offenen Augen träumen.
    »Was meinst du, Paul, ob das jemals wieder aufgebaut wird?«
    Paul löste seine Augen vom Nachthimmel und sah sich um. Er tat das so ruhig und ernsthaft, dass Bastian fast einen Lachkrampf bekommen hätte.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Paul bedächtig. »Das bleibt bestimmt so liegen und irgendwann wächst Gras darüber. Nur die Spitzen der Domtürme gucken aus der Wiese.«
    »Ja, und so in hundert oder fünfhundert Jahren kommen Altertumsforscher und fangen an zu graben. Dann überlegen sie bestimmt, welche Jecken hier mal gelebt haben.«
    »Und wenn sie dann den Nachttopf von Opa Tesch ausgebuddelt haben, sind sie immer noch nicht schlauer«, grinste Paul.
    Bastian musste lachen. »Ich war mal mit meinem Vater im Museum. Wir haben uns die Trümmer aus der Römerzeit angeguckt. Die hatten schon Wasserleitungen und Badezimmer. Ich kann dir sagen, Paul, die hatten Fliesen an den Wänden, davon können wir nur träumen.«
    Paul gluckste vor Lachen.
    »Was ist denn jetzt, Paul. Krieg dich mal wieder ein.«
    »Ich versuche mir nur gerade vorzustellen, wie da so ein Ausgräber in den Trümmern steht und Opa Teschs Pisspott in der Hand hält und so richtig ins Grübeln kommt.«
    »Vielleicht nennen sie das hier dann die Pisspottzeit. Hey, was ist?«
    Plötzlich war Paul hellwach und auf die Beine gekommen.
    »Sieh mal, da drüben tut sich was.«
    Gleichzeitig ertönte ein lang gezogener Pfiff. Das Zeichen. Sie standen ohne Eile auf und schlenderten über die Straße. Sie folgten dem Schatten, der vor ihnen her durch das Geröll kletterte.
    Wieder ein Pfiff und der Schattenmann verschwand. Vor ihnen lag der Eingang zu einem Kellergewölbe. Sie tasteten sich hinein. Bastian stieß zwei kurze, schrille Pfiffe aus. Er hielt den Atem an und lauschte – lange.
    »Mann, wie ich diesen Scheiß hasse«, flüsterte er Paul ins Ohr. Der legte ihm aber nur die Hand auf die Schulter und murmelte: »Nur Geduld, Bastian. Nur Geduld.«
    Und da kam es: das vereinbarte Signal als Antwort. Sie schienen es geschafft zu haben. Sofort tasteten und stolperten sie weiter durch einen geschaufelten Gang, der zwischen Geröll und großen Haufen von Putzstücken bedrohlich eng wirkte. Sie bewegten sich langsam und vorsichtig, waren auf der Hut vor herausragenden Nägeln, abgerissenen Rohren, aber vor allem vor herunterrutschenden Steinbrocken. Minuten später hatten sie das Kriechen durch die Gänge hinter sich, saßen in Ottos Behausung und klopften den Staub aus ihren Jacken.
    »Ich habe versucht, dich zu erreichen«, sagte Otto zu Bastian und behielt dabei mit einem gewissen Misstrauen Paul im Auge. Mit einer Handlampe leuchtete er sie an. Schatten sprangen über die Wand. In Ottos Raubvogelgesicht glänzten zwei dunkle Augen. Er trug einen langen schwarzen Mantel. Der Kragen war hochgestellt.
    »Heißt das, du hast die Papiere?«, fragte Bastian. »Es wird langsam eng.«
    »Immer mit der Ruhe. Mit Ungeduld kommen wir nicht weiter.« Otto schnaubte. Er war hier der Chef. Doch er kramte schon in einer Kiste an der Wand. »Hier. Frisch aus Ottos Bastelstube.« Er hielt den Ausweis in den Strahl der Lampe.
    Bastian warf einen Blick in den Pass, drehte ihn im Licht und blätterte in den Seiten. Ein anerkennender Pfiff entfuhr ihm. Pauls Foto war abgegriffen, so abgeschabt und speckig wie der Ausweis. Der Stempel sah richtig echt aus. »Mensch, saubere Arbeit«,

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