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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Muckefuck. Paul wartete, bis Opa Tesch ihn nicht mehr hören konnte.
    »Ich habe Karlu mit Ziegen gesehen. Sie haben sich prächtig unterhalten. Karlu platzte beinahe vor Wichtigkeit. Opa Tesch hat mir geraten, dass ich mich von dem Burschen besser fernhalten soll. Er sagte, er sei ein Filou. Er ist ein Spitzel und arbeitet für die Gestapo. Das sieht ein Blinder.«
    »Vor dem musst du dich in Acht nehmen. Der schläft in seiner Uniform. Immer im Dienst. Wie sein Vater. Karlu ein Spitzel? Das passt. Das ist einfach ein Arschloch. Hat er dich gesehen?« Bastian zermalmte die Kippe unter dem Absatz.
    »Keine Ahnung. Kann schon sein.«
    Bastian sprang auf. »Es wird Zeit, dass du hier wegkommst, Paul. Für den Fall, dass Karlu weiß, dass du dich hier versteckst.«

    DIE STADT
    LAG IM
    DUNKELN und zitterte unter dem anschwellenden Dröhnen der Flugzeuge. Noch klang es wie ein herannahendes Gewitter. Bastian zog den Kopf ein und blinzelte argwöhnisch lauernd nach oben. Luckilucki machen, nannten sie das. Das war eine ganz besondere Art des Hörens und Sehens. Alles gleichzeitig in Alarmbereitschaft setzen, alle Antennen ausfahren, alle Sinne schärfen. Mit mal gucken oder wollen wir mal sehen kamen sie nicht weit. Jeder Schritt musste rundherum »abgesichert« sein.
    Die Straßen lagen voller Schutt. Die Reste der Häuser standen spitz und drohend gegen einen dunklen Wolkenhimmel und sahen aus, als stürzten sie bald ein. Und gelegentlich taten sie das auch. Nirgendwo war man sicher. Irgendwo krachte und rumste es eigentlich immer. Die Angst vor den Blindgängern oder den Zeitzünderbomben war am größten. In jedem Trichter, jedem vollgelaufenen Wasserloch konnten sie stecken und unvermittelt hochgehen.
    Gleichzeitig waren sie hier aber vor den Streifen der Wehrmacht sicher. Ohne Not traute sich niemand in diesen Dschungel. Wer konnte, mied die Trümmerfelder. Es roch nach von Fäule überzogenen Steinen und nassem Müll. Eine Badewanne baumelte hell aus einer aufgeplatzten Etage. In leeren Fensterhöhlen hing dunkle Nacht, undurchdringliche Schwärze. Ein überflüssig gewordenes Reklameschild aus Emaille oder ein Pappkarton ersetzten hier und da fehlendes Fensterglas. Dachrinnen lagen abgerissen auf hohen Schutthalden.
    Das hier war Ottos Reich. Sein Gebiet. Und Bastian und Paul suchten ihn. Bastian lauschte auf Pauls Schritte hinter sich. Sie wollten bis zum Grüngürtel und nahmen den Umweg über die Subbelrather Straße. Hier und in der Gegend um die Kanalstraße wechselte Otto ständig seinen Unterschlupf. Mal war es ein ehemaliger Waschkeller, der unter Schuttbergen ein gutes Versteck bot, mal war es eine Kammer, die in einem zerbombten Haus unversehrt geblieben war. Einmal residierten Otto und seine Leute sogar in der alten Polizeidienststelle. Ein besonderes Vergnügen. Und jetzt hauste er angeblich in einem Kellerraum unmittelbar hinter einem noch intakten Luftschutzkeller.
    Man musste aufpassen, auf Pfeifsignale achten und bei Gefahr abhauen. Es gab Treffpunkte. Hinweise auf Mauerresten. Kreidezeichen. Man musste sich eine Weile gut sichtbar aufhalten. Ottos Wachen lagen in den Trümmern und beobachteten jeden und alles. Waren die Besucher allein und Otto traute ihnen, wurde man vielleicht vorgelassen. Bastian fand das alles übertrieben.
    Otto kam sich so unglaublich wichtig vor. Als sei er Kopf und Herz des Widerstandes. Alles in allem aber doch nichts weiter als ein kauziger, seltsamer Vogel, dieser Otto. Paul brauchte endlich Papiere und ihnen blieb nichts weiter übrig, als Ottos Marotten zu akzeptieren. Spielchen spielen, nannte Bastian das. Bastian glaubte nicht einmal die Hälfte der Geschichten, die über Otto im Umlauf waren. Vorsicht und Misstrauen waren gute Dinge für jemanden, der so lebte wie Otto. Das hatte Bastian schon begriffen. Er fand aber auch, dass Vorsicht und Misstrauen gegenüber Otto nötig waren. Trotzdem mussten sie es probieren.
    In einer Gegend, wo kein Stein mehr auf dem anderen stand, halfen ihm seine Ortskenntnisse nicht viel. Bastian blieb stehen und hob die Hand. Stolpernd stieß Paul gegen ihn. Er fluchte leise: »Pass doch auf!«
    Der Turm von St. Gereon überragte die Ruinen. An der Straßenecke stand eine Bretterbude. Etwas großspurig stand Kiosk für den täglichen Bedarf auf einem Schild. Jetzt hieß es warten. An das Büdchen gelehnt, stand ein Pärchen und knutschte. Es nahm nichts um sich herum wahr. Paul seufzte. Zwei Frauen mit Koffern in der Hand tratschten.

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