Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
reden aber nicht drüber. Und Werner hat einen guten Anteil an der Arbeit und am Kleingeld. Werner hilft aber aus anderen Gründen. Nämlich damit unsere Fremdarbeiterinnen über die Runden kommen. Werner ist eine ehrliche Haut. Es dauert nur eine Weile, bis man das entdeckt. Er ist ein Einzelgänger. Er vergrault die Leute und benimmt sich wie ein Klugscheißer.«
»Aber es stimmt doch, was er sagt. Über den Krieg und den Führer.«
»Er kann uns alle in Teufels Küche bringen. Das ist alles kein Spaß. Und trauen kann man niemandem. Das müsstest du doch am besten wissen.«
»Und Tante Rose?«
»Lagusch steckt fast alles in den Laden hier. Ohne ihn würde sie es nicht schaffen. Im letzten Winter sah es böse aus. Die Tante wollte den Laden schon dichtmachen.«
»Aber das ist doch ein Nazi, der Lagusch. Opa Tesch hat mir Geschichten von dem erzählt. Mein lieber Mann, kann ich da nur sagen. Und dann macht der solche Sachen?«
»Lagusch ist ein Nazi. Du musst ihn ja nicht mögen. Lass ihn einfach in Ruhe. Und du musst dir von ihm etwas sagen lassen. Er ist der Vorarbeiter. Geh behutsam mit den Leuten um. Wir sind auf jeden angewiesen. Komm, ich zeige dir jetzt, wie wir Kränze binden. Vielleicht hast du ja Talent.« Und Franzi zog ihn hinter sich her Richtung Kranzbinderei.
Paul merkte bald, dass er zwei linke Hände hatte.
»Noch einmal. Sieh genau hin. Wir fangen mit einem kleinen an«, setzte Franzi geduldig den Unterricht fort. »Schau auf meine Finger und nimm die Augen aus meiner Bluse.«
Paul wurde rot. Er genoss es sichtlich, hier mit Franzi zu stehen.
Sie nahm einen der armdicken Ringe aus Stroh, die sie am Vormittag vorbereitet hatten. Um den Strohring hatte sie grüne Stoffstreifen gewickelt.
»Als Material nehmen wir, was wir kriegen können. Es ist längst nicht mehr alles zu bekommen. Wenn wir keinen Draht haben, nehmen wir Paketband, das geht auch.« Sie standen dicht nebeneinander vor dem Arbeitstisch, auf dem ein Haufen Zweige mit glänzend grünen Blättern lag, die alle auf ungefähr die gleiche Länge geschnitten waren. Paul verfolgte jede Bewegung ihrer geschickten Finger.
»Du musst ein paar Zweige von dem Kirschlorbeer zu einem Bündel fassen, auf den Strohring legen und mit der anderen Hand die Stiele und den Ring fest umwickeln. Dann legst du ein neues Bündel an, etwas weiter unten, und wickelst wieder. Das Grün liegt jetzt wie Dachziegel übereinander, siehst du? So wickelst du in Spiralen weiter, immer von innen nach außen. – Versuch du es jetzt! Ist nicht so schwer.«
Er legte Zweige an und schlang das Band herum. Es kam ihm vor, als hätte er immer eine Hand zu wenig.
»Zieh das Band strammer, sonst zerfällt der Kranz schon auf dem Weg zum Friedhof.« Franzi griff immer wieder ein. »Die Blumen stecken wir zum Schluss einzeln auf. So, siehst du?«
Nein, verflucht. Ich sehe es nicht, dachte Paul und sah auf das Durcheinander in seinen Händen. Fast hätte er seine Hand mit eingebunden, aber die brauchte er noch. Doch Franzi rettete ihn wieder mal.
Sie banden stumm Zweige zu Kränzen. Franzi blieb geduldig. Ab und zu griff sie zu seinem Kranz hinüber und führte seine Hand, damit er die Bewegung mit dem Wickelband richtig machte. Manchmal war ihr, als wollte er ihre Hand nie mehr loslassen. Sie lächelte ihn an, schaute sich um und wie ein Husch drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange.
»Mutter macht Doppelschichten im Kinderkrankenhaus. Sie ist kaum noch zu Hause. Wahrscheinlich werden sie das Krankenhaus evakuieren. Sie wird dann sehr weit weg sein. Vielleicht in Thüringen oder Bayern.«
»Mensch, dann habt ihr ja sturmfreie Bude. Und ich dachte schon, wir sehen uns nur noch während der Arbeit.«
»Arbeit? Also was du da machst, ist keine Arbeit. Das ist, als würdest du Schleifen in Gestrüpp binden. Etwas mehr Mühe. Bitte.«
»Du lenkst doch nur ab. Also ich finde meinen Kranz prächtig. Für meine Beerdigung würde er mir reichen.«
»Mach keine Witze. Darüber scherzt man nicht. Das ist kein Kinderkram. Tante Rose beobachtet uns. Wir wollten doch vorsichtig sein.«
»Ach so.« Paul merkte auf. »Hier liegt überall Spielzeug herum. Gibt es noch jemanden, von dem ich nichts weiß? Hast du eine kleine Schwester?«
»Die Sachen gehören Lisa. Ihre Mutter hilft im Haushalt und manchmal im Büro. Sie sind ausgebombt und wohnen im Vorderhaus über dem Laden.«
»Die haben doch bestimmt auch ein Geheimnis.«
»Nein, Paul. Kein Geheimnis. Lisas Mutter ist
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