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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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war wie eine Leopardin und wie ein kleines Kätzchen selig schnurrte, wenn die Erschöpfung und das Glück sie im Traum wiegten.
     

25
     
    Ich parke vor dem Campingplatz und bedeute Txema durchs Fahrerfenster, dass ich noch eine Weile im Wagen sitzen bleibe, um nachzudenken, worauf er mir sachlich mitteilt, dass er noch ein paar Tage bleiben wird, um sich zu erholen; wenn ich mir aber das andere von der Seele reden wolle, wäre das ganz inoffiziell.
    Das andere.
    Ich würde es mir überlegen, erwidere ich und wünsche ihm dann mit einem festen Handschlag eine gute Nacht. Ich bin nicht beunruhigt über die langsame, aber sichere Rückkehr des Polizisten, der dieser Sache auf den Grund gehen muss, auch wenn wir Freundschaftsbande geknüpft haben. Das wird ihn nicht daran hindern, bei der nächsten Gelegenheit Jagd auf mich zu machen. Denn jetzt sind seine letzten Zweifel beseitigt.
    Kaum ist er weg, klappe ich den Sitz nach hinten. Ich will nicht ins Zelt zu Yolanda oder mich gar auf die Suche nach ihr machen, falls ich sie dort nicht antreffe. In dieser Nacht will ich nicht neben ihr schlafen, denn uns würde der Schatten einer anderen unvergesslichen Frau bewachen, die ich seit bald zwei Jahren aus meiner Erinnerung zu löschen versuche.
    Außerdem muss ich dringend nachdenken.
    Ich würde Beltrán ja gern aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen, aber der gelbe Regenmantel war vor The End , und das hatte sicher einen Grund, auch wenn er sich nicht wie ein Kollege bei einer 39 A verhalten hat, denn dann hätte er unsere Prügelei ausgenutzt und uns beide abserviert. Es sei denn, er hätte mitgekriegt, dass Arregui Polizist ist, und Anweisung erhalten, nicht einzugreifen. Aber nein … er hat nicht telefoniert, sondern sich damit begnügt, zuzusehen, anfangs voller Unruhe, gegen Ende sogar fast mit Interesse. Er sah uns zu und rauchte. Und dann war er auf einmal verschwunden. Könnte ich mir doch nur dieses Gesicht unter der Kapuze ins Gedächtnis zurückrufen, diese flüchtige Blitzlichtaufnahme beim Aufflammen des Feuerzeugs. Es streicht um mein Bewusstsein herum, kommt näher, entwischt mir jedoch immer im letzten Moment. Aber vielleicht würde mir das auch nicht viel nützen. Ich kenne mehrere Nummern der FIRMA, aber längst nicht alle.
    Ich bin hundemüde.
    Das Schlafbedürfnis wiegt schwerer als meine Schuldgefühle, aber noch wehre ich mich dagegen, weil ich mich vor dem fürchte, was ich wohl träumen werde nach diesen seltsamen letzten Stunden; alle Fragen, vor denen man im Wachzustand davonlaufen kann, fallen im Dickicht der Träume nämlich immer über einen her.
    Vielleicht gelingt es mir ja mit chemischer Hilfe.
    Im Kofferraum habe ich legal erhältliche Beruhigungsmittel, auf die wir gelegentlich zurückgreifen, wenn ein Auftrag nicht wie ein Mord aussehen soll, sondern wie eine Überdosis Schlaftabletten. Ich beschließe also, das durch Prügel und Bourbon verursachte Schwindelgefühl mit ein paar roten Pillen zu betäuben, die aussehen wie Bonbons für einen Jungen, der einmal Piratenkapitän werden wollte, es aber nur zu einem Augenverband und einem Haufen Zweifel gebracht hat.
    Ich zähle sorgfältig, ich will nicht zu viele nehmen, und während ich die letzte Tablette schlucke, schießt mir auf einmal durch den Kopf, dass ich so narkotisiert leichte Beute für meine Mörder bin. Und so treffe ich eine dieser cleveren, unumstrittenen Entscheidungen, die man immer trifft, wenn man nicht mehr klar denken kann: Ich muss aus dem Auto raus und mir einen abgelegenen Ort zum Schlafen suchen, einen Ort, wo mich niemand finden kann, bis ich wieder eine einigermaßen passable Killermaschine bin oder mich zumindest selbst zu verteidigen weiß. Kurz kommt mir Camilleris Höhle in den Sinn, aber angesichts des steilen Weges hinauf auf den Felsen verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich ziehe mich aus, verstecke den Zündschlüssel und gehe in einem weiten Bogen um den Campingplatz herum in Richtung Küste. Von oben sehe ich die Bucht, in der ich erst vor ein paar Stunden mit Yolanda entdeckt habe, dass ich wieder fühlen und mich spüren kann wie damals in Claudias Armen. Die Menschen, denen man im Leben begegnet, sind normalerweise keine Spiegel, aber manchmal muss man sie nur ansehen, um zu erkennen, wer man wirklich ist. Erst jetzt wird mir bewusst, dass der Weg hinauf zu Camilleris Höhle weitaus weniger steil war, aber an eine Umkehr ist nicht zu denken, sie liegt genau in der entgegengesetzten

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