Wir tun es für Geld
habe. Wobei, wenn ich mein Image als Mitarbeiter-des-Quartals-Streber loswerden möchte, wäre das vermutlich gar keine so schlechte Idee…
»Hallo, Sie, junger Mann!«
»Meinen Sie mich?«
»Ja, genau Sie. Endlich habe ich Sie gefunden.«
Die alte Dame ist etwas außer Atem. Ich sehe sie nicht zum ersten Mal. Aber woher kenne ich sie nur?
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Sie haben mir doch neulich diesen Taschenrechner hier verkauft, nicht wahr?«
Ah, genau.
»Aber ja doch. Wie könnte ich diesen Tag vergessen. Ich hoffe, Ihr Mann ist zufrieden?«
»Nun, um ehrlich zu sein, nicht so richtig.«
»Oh, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich das bedaure. Wo hapert es denn? Stromversorgung? Tastatur? Display? Falsche Farbe? Kein chinesischer Schriftsatz?«
Sie haben hier immerhin den Mitarbeiter des Quartals vor sich. Mein zweiter Name ist Überengagiert.
»Sehen Sie sich das mal an.«
Sie tippt 2 + 2.
»Zwei plus zwei. Nun, bis hierher klappt es ja noch ganz gut, oder?«
Sie tippt =.
Auf dem Display erscheint eine Fünf.
Ich stehe da wie vom Donner gerührt. Nach ein paar Sekunden drückenden Schweigens höre ich mich »D… darf ich kurz mal?« sagen. Ich sehe mich 2 + 2 eintippen, und ich sehe das gleiche falsche Ergebnis. Ich versuche es wieder und wieder, aber es wird nicht besser. Mich packt das kalte Grausen. Ich versuche andere Aufgaben, die rechnet das Gerät allerdings alle richtig. Nur dieses verflixte 2 + 2. Ich schalte das Ding aus und wieder ein, schüttle es und halte die Solarzellen ins Licht, aber was ich auch tue, es bleibt dabei: 2 + 2 = 5.
Okay, ich muss jetzt vor allem ruhig bleiben. Das muss nichts heißen. Ein Taschenrechner, der 2 + 2 falsch rechnet. So was passiert doch alle naselang, oder? Ich meine, gut, seit ich vorgestern Nacht statt mit Vanessa in Gedanken mit Ines geschlafen habe, stimmt mit mir so einiges nicht mehr, aber dass ich jetzt tatsächlich aus Liebeskummer in ein Paralleluniversum abgedriftet bin, nö, also, die Vorstellung ist wirklich albern.
Na gut, jetzt nur mal angenommen, ich wäre in einem Paralleluniversum gefangen, in dem andere Gesetze gelten und in dem sich sogar Taschenrechner verrechnen. Nur als Gedankenspiel: Wäre die Dame dann auch Teil des Paralleluniversums, oder hat sie sich, wie ich, auch nur verlaufen? Wenn sie Teil des Paralleluniversums wäre, hätte sie sich nicht über den Rechner beschweren dürfen. Sprich, sie gehört auch nicht hier hin. Sie wäre im Moment meine einzige Verbündete aus meinem Stammuniversum. Die Frage wäre nur, hat sie es schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt? Und falls nein, wie spreche ich sie darauf an, ohne dass sie mich für verrückt hält? Ich muss…
»Hallo, Siehie! Jetzt sagen Sie doch mal was. Schließlich habe ich für den Rechner bezahlt, und da kann ich auch erwarten, dass er richtig rechnet.«
»Äh, sicher, sicher. Meine Dame, ich muss sagen, ich bin bestürzt. Gerade dieser Taschenrechnerhersteller ist für die überaus präzisen Rechenergebnisse seiner Produkte berühmt. Die gesamte Modellpalette wird laufend im Mathematiklabor härtesten Tests unterzogen. Ich stehe vor einem Rätsel. Es ist mir unerklärlich.«
Also, angenommen, sie kommt aus der gleichen Dimension wie ich, weiß aber nur noch nicht, dass es sie in ein Paralleluniversum verschlagen hat, welche Chancen hätte ich, sie davon zu überzeugen? Und wie könnten wir nach einem Rückweg suchen?
»Schön und gut, junger Mann, aber Sie sehen ja, er rechnet falsch.«
»Natürlich, natürlich. Wissen Sie was? Wir gehen jetzt gemeinsam in die zuständige Abteilung und tauschen ihn einfach um. Was halten Sie davon?«
Das war geschickt. Nur mal angenommen, wir wären beide tatsächlich im Paralleluniversum gestrandet, dann hätte ich jetzt Zeit gewonnen. Ich könnte mich mit ihr auf dem Weg zur Schreibwarenabteilung ganz zwanglos unterhalten und sie dabei vorsichtig ausfragen, ob sie in letzter Zeit auch oft geistesabwesend ist und manchmal erwägt, Freunde zu verdreschen…
»Davon halte ich überhaupt nichts. Mein Vertrauen in Ihre Taschenrechner ist abgrundtief erschüttert. Ein einziger großer Humbug ist das. Kundenveralberung im ganz großen Stil. Ich sage Ihnen, wie es wirklich ist: Der zeigt einfach irgendeine beliebige Zahl an, und manchmal stimmt sie eben zufällig. Kirmeskram ist das.«
»Nun, in dem Fall würde ich vorschlagen, wir erstatten Ihnen Ihr Geld zurück.«
»Ich will kein Geld zurück. Das ist ein
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