Wir waren unsterblich (German Edition)
drang aus dem Keller. Hinter dem schmalen Fenster herrschte ein graues Halbdunkel. Wir erwarteten das wutverzerrte Gesicht des Hausmeisters hinter den Gitterstäben auf-tauchen zu sehen. Aber Eugen rührte sich nicht.
Töffel trat einen Schritt vor. „He! Wie steht es nun mit dem Vertrag? Unterschreibst du?“ Er versuchte, selbstsicher zu klingen, aber seine Stimme zitterte.
Der Gefangene reagierte nicht. Töffel war nur noch einen Schritt vom Fenster entfernt. Plötzlich hatte ich eine Vision: Onkel Eugens Arme grapschten blitzschnell nach unserem Freund, rissen ihn von den Beinen und zogen ihn unweigerlich auf die Gitterstäbe zu. Um ihm die Luft aus seinem zerbrechlichen Leib zu pressen.
„Komm da weg!“ Doch Töffel achtete nicht auf mich. Er ging in die Knie und spähte in das Halbdunkel. „Ich kann ihn nicht sehen. Wo steckt er?“
Markus trat neben ihn. Seine rechte Faust umklammerte ein kurzes Eisenrohr. Er holte aus und schlug gegen einen Gitterstab. „Was ist? Du Mistkerl! Hast du deine Lektion gelernt? Antworte, oder wir lassen dich da unten verrecken!“
„Ja! Verrecken!“, stimmte Töffel begeistert mit ein.
Hilko drängte die beiden zur Seite. Er zündete ein Stück Papier an und warf es in das Kellerloch. Für einen Augenblick wurde der Raum in flackerndes Licht getaucht. Ich reckte den Hals und sah Eugen. Der Hausmeister lag auf dem Rücken. Die Flammen reflektierten sich in seinen weit aufgerissenen Augen.
„Ein Trick“, beharrte Leo. Hilko steckte seinen rechten Arm durch die Gitterstäbe und entzündete ein Streichholz. Regungslos betrachtete er den Hausmeister. „Er blinzelt nicht“, sagte er leise. „Ein Mensch muss irgendwann blinzeln.“
„Das waren doch nur ein paar Sekunden“, meinte Leo. „Der stellt sich tot, um uns reinzulegen.“
Töffel kroch auf allen Vieren heran und schleuderte eine Hand voll Kies ins Dunkel. Die meisten Steinchen prasselten klickend gegen die Wände, aber einige prallten mit einem dumpfen Geräusch vom Körper des Hausmeisters ab.
„Der kann doch nicht in der kurzen Zeit verdurstet sein.“ Töffels Stimme zitterte stärker. „Oder?“
„Vielleicht ist er doch an dem Schlag gestorben.“ Markus warf Leo einen vielsagenden Blick zu.
Ich war davon überzeugt, dass wir alle unser Leben verwirkt hatten. Da unten lag ein Mensch – zwar ein Riesenarschloch, aber dennoch ein Mensch, dessen Tod für uns schlimme Konsequenzen haben würde.
„Die können uns doch nicht dafür ins Gefängnis bringen.“ Leo musste meine Gedanken gelesen haben. „Es war Notwehr!“, sagte er laut. Ich sah ihn an. Er war es gewesen, der den Balken gegen Graukittels Stirn geschleudert hatte. Aber damit hatte er Markus, Töffel und mich gerettet.
Hilko humpelte auf den Hauseingang zu.
Eugen fletschte die Zähne wie ein wütender Hund. Aber es gab keinen Zweifel: Eugen war tot. Ich sah auf ihn hinab und stellte fest, dass er sich die Lippen zerbissen hatte. Die Finger seiner rechten Hand krallten sich in das zitronengelbe Hemd. Ein paar Knöpfe fehlten. Brusthaare lugten hervor. Graukittel hatte seinen Gürtel geöffnet. Vielleicht um besser Luft zu bekommen. Die protzige Schnalle – ein silberner Adler mit einem Schwert in den Krallen – baumelte an seiner Hüfte.
Wir starrten die Leiche eine Weile schweigend an. Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie kamen wir bloß wieder aus der Sache raus? Mir fiel nichts ein.
„Der muss verschwinden“, brach Hilko das Schweigen. Wir sahen ihn fragend an. „Ist doch klar“, fuhr Hilko fort. „Töffels Tante weiß, wohin dieses Arschloch mit ihrem Neffen fuhr. Wenn der Kerl nicht wieder auftaucht, wird man zuerst hier nach ihm suchen.“
„Aber sein Auto steht doch ganz woanders“, warf Leo ein. Er steckte die Hände in seine Hosentasche, als wollte er uns damit signalisieren, dass er den Toten auf keinen Fall anfassen würde.
„Bist du bescheuert? Oder was?“, schnauzte ihn Markus an. „Die kommen trotzdem hierhin.“ Er schubste Leo. „Du hättest ihm nicht den Balken an den Kopf werfen müssen. Ich wäre allein mit dem Kerl fertig geworden.“
„Quatsch! Er hätte uns alle totgeschlagen.“ Leo wich zurück und trat dabei versehentlich auf Eugens linke Hand. Es klang, als würde man den Panzer eines großen Käfers zerquetschen. Hilko stellte sich zwischen die Streitenden. „Hört auf! Wir brauchen einen Plan.“ Er legte dem kleinen Töffel die Hand auf die Schulter. „Hat deine Tante
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