Wir wollen Freiheit
auf Moderatoren vom Golf. Im Frühsommer 2010 kommt es zum Eklat: Ahmed Abou Haiba will Yasmin Muhsin als Moderatorin einsetzen. Das islamisch-korrekte Fotomodell ist ein Star in Ägypten, doch die Saudis wollen keine Frauen auf dem Schirm sehen.
Ahmed Abu Haiba ist einer von denen, die Ägypten islamischer gemacht haben und laut der bereits erwähnten Jugend-Studie der Staatssekretärin für Bevölkerung und Familie tragen 2010 95 Prozent der Musliminnen in Ägypten Kopftuch. Der
Pop-Islam
ist längst nicht mehr eine Avantgardebewegung, sie ist zum Mainstream geworden. Dabei hat die Bewegung an Tiefgang verloren. Immer noch gibt es Jugendliche auf der Suche nach mehr Wissen und Spiritualität. Sie wollen die menschlichen Werte der Religion herausschälen und für sie gehört das Engagement für die Gesellschaft zum Gottesdienst.
Die große Mehrheit allerdings verstrickt sich in den Fängen des »Islam al Schakli – des Islam der Äußerlichkeiten«. Sie folgen der letzten Kopftuchmode und achten auf präzise Gebetshaltung. Es gehört zum guten Ton, religiöse Formeln in seine Sätze einzuflechten. Religion ist nicht mehr privat |158| oder politisch, sie wird eine Society-Angelegenheit. »In meiner sozialen Schicht ist Kopftuchtragen in erster Linie anstrengend«, beschreibt die 3 7-jährige Hassanat Karoussa, Geschäftsfrau aus Alexandria: Kopftuch, Handtasche, Schuhe, alles müsse genau aufeinander abgestimmt sein und dann mische sich auch noch ständig jemand ein. »Ständig sagt jemand, dass ich die Hände beim Gebet anders halten soll oder mein Kopftuch zu groß oder zu klein oder zu irgendwas ist. Es ist ein wahnsinniger Druck.« Vor zwei Jahren hatte sie genug und nahm das Kopftuch ab. »Ich fühle mich jetzt viel freier. Dabei sollte ich das Ihnen natürlich nicht sagen, denn das ist es doch genau, was ihr im Westen hören wollt. Allein diese Tatsache ist Grund genug, dass ich das Kopftuch sofort wieder anziehe«, lacht sie: »Doch es ist nicht der Islam, der mich eingeengt und unter Druck gesetzt hat. Es ist diese überreligiöse Gesellschaft mit ihren Normen, die nichts mit dem Islam zu tun haben, sogar mit ihm im Widerspruch stehen, die mich zu diesem Schritt gebracht hat!« Mit der Entschleierung habe sie ihre Umwelt schockiert und viele sehen sie als Abtrünnige. »Das ist aber okay, denn Abtrünnige können machen, was sie wollen!«, sagt sie.
Die Regierung vereinnahmt den Islam
Zur Schau getragene Frömmigkeit wird zum Markenzeichen des Systems Mubarak in seiner Endphase. Schnellrestaurants schließen demonstrativ zu den Gebetszeiten – nicht weil sie
Muslimbrüdern
gehören, sondern weil hier Geschäftsleute mit dichter Anbindung an die Regierung beweisen wollen, dass sie noch frommer sind als die religiöse Opposition. So scheuen Kandidaten der Regierungspartei nicht davor zurück, zu sagen, dass es unislamisch sei, für den christlichen Gegenkandidaten zu stimmen.
|159| Die Regierung benutzt sogar den Kulturkonflikt mit dem Westen für ihre Zwecke. Am eindrücklichsten wird dies am Beispiel der Berichterstattung über den Mord an Marwa al-Scherbini in Dresden deutlich. Die junge Frau war am 1. Juli 2009 im Landgericht erstochen worden, nachdem sie in einem Beleidigungsprozess gegen den islam- und ausländerfeindlichen Angeklagten ausgesagt hatte. Natürlich ist die Empörung groß, dass eine Ägypterin in einem Gericht ermordet werden kann und die deutsche Öffentlichkeit so lange braucht, um das Verbrechen als rassistische Tat zu verurteilen. Da brennen in Ägypten schon die deutschen Fahnen. Während allerdings viele unabhängige Zeitungen den Mörder als Rechtsradikalen darstellen, wird der Mord bei
Al Ahram
und anderen regimetreuen Medien als Ausdruck einer tiefsitzenden Islamophobie bei den Deutschen allgemein beschrieben. Die Wortwahl und Art der Berichterstattung ist sehr viel reißerischer als die der unabhängigen Konkurrenz. »Ich habe manchmal das Gefühl, dass bei diesem ganzen Gerede über den Kulturkonflikt etwas faul ist. Ich habe immer stärker den Eindruck, dass die Regierung den Hass auf den Westen extra schürt, damit wir abgelenkt werden von dem, was hier passiert«, sagt ein Student, den ich im November 2009 bei einer Podiumsdiskussion zum deutsch-ägyptischen Verhältnis treffe.
Trotz allem, so ist die Beobachtung, hat der Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen in den vergangenen drei Jahren an Bedeutung verloren. Zumindest sprechen die Menschen in Ägypten
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