Wir wollen Freiheit
dass etwa die Straße vor ihrer Haustür repariert wird oder sie einen Job bekommen. Er fordert seine Zuhörer auf, erfolgreich zu sein. Es sei nicht nur ihr individueller Erfolg, sondern sie dienten damit auch der Sache des Islam. Geschäftserfolg wird als gottgewollt angesehen – auch darin unterscheidet sich der Pop-Islam von den eher konsumverachtenden Bewegungen davor.
Es geht um die Veränderung der Gesellschaft von innen. Wenn jeder Muslim ein besserer, erfolgreicherer Mensch und ein besserer Gläubiger wird, dann entwickelt sich die Gesellschaft, die Umma, zu einer besseren, sprich islamischeren. Dies ist der Ansatz der
Muslimbruderschaft
, nur in anderer Verpackung. Amr Khaled wird eine Nähe zu, wenn nicht gar Mitgliedschaft in der
Bruderschaft
nachgesagt.
Dies ist einer der Gründe, weshalb die Regierung ihn misstrauisch betrachtet. Zudem – so erzählt man sich – sei Präsident Mubarak sehr ärgerlich geworden, als seine Schwiegertochter sich von Amr Khaleds Kopftuchwelle anstecken ließ. 2002 bekommt Amr Khaled Auftrittsverbot und geht nach London.
Ab 2004 entstehen in vielen europäischen Ländern – auch in Deutschland – Jugendprojekte, die sich in Anlehnung an Amr Khaled »Lifemakers« nennen und sich für Umweltschutz, Bildung oder auch Obdachlosenhilfe engagierten. In Deutschland ist ihr Ziel, dem negativen Image des Islam etwas entgegenzusetzen, Integration und Bildung der Migranten zu fördern.
Amr Khaled ist längst nicht der einzige Prediger. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Stil und seine eigene Zielgruppe. Immer mehr Sender entstehen und viele Geldgeber wollen in diesen Bereich investieren. Es kommt in der Folge zu einer regelrechten Frömmigkeitsschwämme.
|156| Ahmed Abu Haiba ist der Vater des neu entstehenden Islamotainments. Der 4 3-Jährige ist derjenige, der 1995 Amr Khaled entdeckt hat. Er entwickelt auch die islamisch-korrekte Musikszene weiter und baut ab 2003 »Al Risala – die Botschaft« auf. Der kuwaitische T V-Sender will junge Muslime auf den Weg der Mitte führen: Sie sollen weder radikal islamisch noch zu westlich werden. »Al Wasatia – der Mittelweg« ist ein Begriff, den Scheich Yussuf al Qaradawi geprägt hat. Der in Qatar ansässige beliebte Scheich gilt als einer der Vordenker der anspruchsvollen Unterhaltung im Namen des Islam. Sein Programm »Al Scharia wa al Hayat – Die Scharia und das Leben« auf
Al Dschasira
hat bewiesen, dass islamische Bildung auch in Talkshowformat funktioniert. Es belegt auch, dass ein Scheich ein besseres Image gewinnt, wenn man ihm kritische Fragen stellt, und Religion interessanter ist, wenn die Gläubigen diskutieren. Zumindest ein bisschen.
Al Risala
, das dem Gelehrten Tarik al Suwaidan gehört, ist ein islamisches Vollprogramm. Neben Islamunterweisung gibt es Kindersendungen und sogar Tele-Kochen. »Wir erreichten aber fast ausschließlich ältere Zuschauer, die sowieso schon religiös waren. Unsere Zielgruppe, die Jungen, erreichten wir nicht«, erklärt er. »Inzwischen gab es auch mindestens 40 weitere Islam-Sender mit dem gleichen Problem und es wurde höchste Zeit für etwas Neues«, sagt Ahmed Abu Haiba 2009 in einem Interview. Da startete er gerade seinen Sender »4Shbab – für Jugendliche«: »4Shbab« ist eine Art MTV mit islamischen Vorzeichen.
Um hierhin zu kommen hat der Pop-Islam einen weiten Weg zurückgelegt. Um 2000 wurde noch heftig darüber gestritten, ob Musik überhaupt »halal – islamisch erlaubt« sei. Mit Sami Yusuf, der mit seiner weichen Stimme und den »bewussten« Texten mehrere Hits landete, und einigen anderen entwickelte sich langsam eine islamisch korrekte Musikszene. Doch die Diskussion ging weiter: Welche Instrumente |157| sind erlaubt? Wie attraktiv darf der Sänger sein? »Stars« galten als unislamisch und wer Starallüren entwickelte, wurde aussortiert. »Die Ideen haben sich immer weiterentwickelt. Was islamisch ist, ist eine Frage der Interpretation. So bemerkten wir immer mehr, dass Jugendliche Stars wollen. Warum auch nicht? Nicht zuletzt war auch der Prophet ein Star. Die Stars müssen allerdings echte Vorbilder sein, welche die Religion leben«, sagt er.
»4Shbab« produziert in Kairo, sendet aber aus Bahrain, denn Ahmed Abu Haiba ist bekennender Muslimbruder und hat die ägyptische Sendelizenz nicht bekommen. Probleme hat Ahmed Abu Haiba allerdings auch mit seinen Geldgebern: Den saudischen Geschäftsleuten gefällt der ägyptische Dialekt nicht und sie bestehen
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