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Wir Wunderkinder

Titel: Wir Wunderkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartung Hugo
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umzusiedeln {33} . Wegen der sozialen Lage und moralischen Haltung dieser Familie habe ich im Augenblick noch gewisse Bedenken. Andererseits kann ich mich einem Wunsch von M. nicht gut verschließen, da seine Formation in der Partei immer mehr Macht und Ansehen gewinnt. Man darf es mit ihm nicht verderben. Ich habe zunächst einmal unseren Ortsgruppenleiter B. {34} um eine vertrauliche Information gebeten.«
    2. August 1932
    »Die Auskünfte über die M.'s sind katastrophal. Frau M. hat eben wieder eine Haft wegen Felddiebstahls verbüßen müssen. Die vier Söhne seien Taugenichtse, und die kleine Tochter sei zwar ungewöhnlich hübsch, aber völlig unmoralisch. Von der Ältesten steht nichts im Bericht. Ich werde mich schwer hüten, dieses Gesindel hier anzusiedeln. B. schreibt, daß sie dort sogar der Partei schaden, weil alle wissen, daß Karl M. den ich nach wie vor für das wertvollste Mitglied der Familie halte, eine hohe Stellung in der Bewegung einnimmt.«
    4. August 1932
    »Karl M. hat mich ersucht, die Umsiedlungsaktion seiner Familie, wie er es nennt, beschleunigt durchzuführen, widrigenfalls er mit Konsequenzen droht!!!«
    15. September 1932
    »Am Falle der Familie M. zeigt sich wieder einmal, wie eine durchaus erbgesunde und achtbare Familie durch bürgerliche Vorurteile in ein falsches Licht geraten kann. Ich selbst habe daraus gelernt und habe auch Karl M. gegenüber selbstkritisch zugegeben, daß ich mich von solchen Vorurteilen bisher noch immer nicht ganz frei gemacht habe. Ich werde sie jetzt völlig ausmerzen, um meinen Weg nicht mehr mit faulen Kompromissen in dieser Richtung zu beschweren. Wir haben die M.'s zunächst in einer Sechszimmerwohnung in Bogenhausen {35} untergebracht und auf Kosten der Parteikasse eingekleidet, was sich aus parteitaktischen Erwägungen rechtfertigen läßt. Karl M. denkt daran, seine Mutter in eine Stellung bei der Frauenschaft einzubauen – Betreuung lediger Mütter, worin sie ja über hinreichende Erfahrungen verfügt, oder was Ähnliches. Seine Brüder hat er sämtlich in seine Truppe übernommen, und ihre kräftige, zupackende Art hat ihnen in Wahlversammlungen und bei Einzelaktionen in roten Kneipen bereits starken Respekt erworben. ›Das Rollkommando Meisegeier muß in die Geschichte unserer Formation in goldenen Lettern eingetragen werden‹, sagte Karl M. in seiner markanten Art.«
    2. Oktober 1932
    »Gestern war ich bei Frau Meisegeier zum Tee eingeladen. Die Wohnung ist noch etwas leer, und aus alter Gewohnheit schlafen alle sieben Familienmitglieder in einem Raum. Es gab Lindenblütentee, den ich glücklicherweise durch eine Flasche mitgebrachten französischen Kognaks etwas aufwerten konnte. Ich habe der Dame des Hauses auch einige Tips gegeben, wie sie ihr gesellschaftliches Ansehen heben kann. Durch meine Korpserziehung – so sehr ich die Institution als solche verabscheue – bin ich dazu bestens in der Lage. Vor allem muß sie sich vor dem Suff hüten. Zuletzt trank sie den Kognak aus der Tasse, ohne ihm Tee beizufügen.«
    26. November 1932
    »Das Experiment mit den Meisegeiers hat sich gelohnt. Gestern waren alle vier Brüder in Uniform im Parteiorgan abgebildet, mit der Unterschrift: ›Standartenführer M. und seine Brüder – Garanten unserer Zukunft.‹ Doddy M. die Jüngste, ist von einem Maler aus der Bewegung, der bisher durch jüdische Machenschaften noch nicht in den Vordergrund getreten ist, als Akt gemalt worden. Saftige Sache! Karl M. will das Bild, wenn wir mal an der Macht sind, in die große Kunstausstellung bringen {36} . Ich befasse mich doch etwas intensiver mit Evelyna, weil eine durch Blutsbande gefestigte Brücke zur SS zweifellos von Vorteilen für mich wäre. Die erratischen {37} Illusionen habe ich mir längst abgewöhnt.«
    Unter dem Weihnachtsdatum des 25. Dezember finden sich zwar keine Eintragungen in Brunos Tagebuch, aber statt dessen sind zwei etwas vergilbte Zeitungsausschnitte eingeklebt.
    Der erste ist eine Anzeige mit dem Text:
    »Wir haben einen deutschen Ehebund geschlossen.
    Julfest 1932
    Reichshauptstellenleiter Bruno Tiches
    und Frau Evelyna, geborene Meisegeier.«
    Beim zweiten handelt es sich um einen ausführlichen Lokalbericht der offiziellen Parteizeitung mit der Wiedergabe eines Photos, auf dem man den ziemlich feist gewordenen Bruno Tiches in Parteiuniform die in ihrem weißen Brautgewand immer noch sehr ansehnliche Evelyna führen sieht. Daneben steht in schwarzer Seide Mutter Meisegeier am

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