Wirbelsturm
feucht. Die Straße war glatt und von Schneewällen gesäumt, aber Erikki machte sich keine Sorgen, weil sein Wagen einen Vierradantrieb hatte und Schneeketten im Kofferraum lagen. Als er die Abzweigung zur Basis erreichte, ließ er sie links liegen. Er wußte, daß der Stützpunkt unbesetzt war und die 212 darauf wartete, repariert zu werden. Bevor er den Palast verließ, hatte er erfolglos versucht, Ali Dayati, den Leiter der Basis, zu erreichen. Aber es war ohnehin unwichtig. Er lehnte sich zurück; der Wagen war vollgetankt, und er verfügte zusätzlich über sechs Zwanzigliterreservekanister aus Abdullahs privater Tankstelle.
Ich schaffe es heute mühelos bis Teheran, dachte er, und kann am Mittwoch zurück sein – falls ich überhaupt zurückkomme. Dieser Bursche Rákóczy ist sehr unangenehm.
»Möchtest du Kaffee, Liebling?« fragte Azadeh.
»Danke. Versuch einmal, die BBC oder die Stimme Amerikas auf Kurzwelle hereinzubekommen.« Er schlürfte dankbar den heißen Kaffee aus der Thermoskanne, während er auf das Knistern der atmosphärischen Störungen und die sich überlagernden lauten sowjetischen Sender lauschte. Die iranischen Stationen wurden immer noch bestreikt, die wenigen ausgenommen, die von der Armee betrieben wurden.
Während des Wochenendes hatten Freunde, Verwandte, Händler und Diener Gerüchte und Gegengerüchte kolportiert: Eine sowjetische Invasion stehe bevor, eine amerikanische Invasion stehe bevor, in der Hauptstadt habe ein erfolgreicher Staatsstreich stattgefunden, alle Generäle hätten sich Khomeini unterworfen, Bachtiar sei zurückgetreten.
»Blödsinn!« hatte Abdullah Khan festgestellt. Der bärtige, korpulente sechzigjährige Mann mit dunklen Augen und einem vollen Mund trug Juwelen und kostbare Kleidung. »Warum sollte Bachtiar zurücktreten? Es bringt ihm keinen Vorteil, also hat er noch keinen Grund dazu.«
»Und wenn Khomeini siegt?« hatte Erikki gefragt.
»Ist es Allahs Wille.« Der Khan rekelte sich auf den Teppichen im kleinen Saal, Erikki und Azadeh saßen vor ihm, und sein bewaffneter Leibwächter stand hinter ihm. »Aber falls Khomeini die Oberhand behält, kann das nicht lange dauern. Die Armee wird ihn und seine Mullahs früher oder später an die Kandare nehmen. Er ist alt und wird bald sterben, je früher, desto besser. Auch wenn er Allahs Willen erfüllt und als Instrument zur Absetzung des Schahs, dessen Zeit gekommen war, gedient hat – er ist rachsüchtig, engstirnig und genauso größenwahnsinnig wie der Vertriebene. Er wird bestimmt mehr Iraner ermorden lassen als der Schah.«
»Aber er ist doch ein Mann Gottes, ist fromm und besitzt alle Eigenschaften eines Ayatollahs«, meint Erikki vorsichtig. »Warum sollte er so etwas tun?«
»Tyrannen haben diese Gewohnheit.« Der Khan lachte und aß noch ein Stück Halvah, eine türkische Süßspeise, mit der er sich gern vollstopfte.
»Und der Schah? Was wird jetzt mit ihm geschehen?« So wenig Erikki den Khan mochte, war er doch froh, seine Meinung zu hören. Von ihm hingen sein und Azadehs Leben im Iran ab, und er hatte keine Lust, das Land zu verlassen.
»Wie es Allah gefällt. Schah Mohammed hat genau wie sein Vater viel Gutes für den Iran getan, aber in den letzten Jahren wurde er immer egozentrischer und wollte auf niemanden hören, nicht einmal auf die vernünftige Schahbanu, Kaiserin Farah, die ihm treu und ergeben ist. Wenn er klug wäre, würde er sofort zugunsten seines Sohnes Reza abdanken. Die Generäle brauchen eine Bezugsperson, sie könnten ihn ausbilden, bis er die Macht übernehmen kann. Vergiß nicht, daß der Iran seit beinahe 3.000 Jahren eine Monarchie ist. Von den Kadscharen-Schahs, unserer legitimen Dynastie, die 150 Jahre lang regiert hat, ist nur einer, der letzte dieses Geschlechts, eines natürlichen Todes gestorben; er war mein Vetter. Wir sind ein orientalisches Volk und kennen Gewalt und Folter. Leben und Tod werden bei uns nicht mit euren Maßstäben gemessen. Vielleicht ist es Allahs Wille, daß die Kadscharen wieder an die Macht gelangen – unter ihnen ging es dem Iran sehr gut.«
Ich habe es anders gehört, dachte Erikki, doch er schwieg.
Den ganzen Sonntag über waren die BBC und die Stimme Amerikas gestört gewesen, was freilich nicht ungewöhnlich war. Radio Moskau empfing man dagegen laut und deutlich, und das galt auch für den Sender Radio Freier Iran, der von Tiflis nördlich der Grenze aus sendete. Die auf Persisch und Englisch durchgegebenen Nachrichten
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