Wirbelsturm
Wolkenbank hervorkam, überflog ich ihn in geringer Höhe – und da glaubte ich, seine S-G-Kennung gesehen zu haben. Aber die Besatzung ignorierte mich, drehte zur Grenze ab und drückte auf die Tube. Mein Flügelmann kam dem Heli ziemlich nahe, aber er führte wieder nur Ausweichmanöver durch.«
Abbasi kniff die Augen zusammen, als er sich des erregenden Gefühls bei dieser Jagd erinnerte. Jäger und Gejagter – es war das erstemal für ihn gewesen. Das berauschende Dröhnen der Düsentriebwerke, und dann der Befehl: »Raketen scharf machen!« Hände und Finger gehorchten. Der Hubschrauber schoß hin und her wie eine Libelle, beschrieb wahre Pirouetten. Die erste Rakete verfehlte ihr Ziel. Auch sein Flügelmann drückte ab, traf aber ebenso wenig – die Raketen waren keine IR-Lenkwaffen. Noch ein Fehltreffer. Jetzt war sie jenseits der Grenze und in Sicherheit. In Sicherheit? Nicht vor mir, vor der Gerechtigkeit, denn ich verfolgte sie mit meinem Geschützfeuer, bis sie sich in einen Feuerball verwandelte. Als ich aus der Kehre zurückkam, war sie verschwunden. Nur eine Rauchwolke war zurückgeblieben.
»Ich habe sie erledigt«, sagte er. »Vom Himmel heruntergeholt.«
Lutz wandte sich ab, um seinen Schock zu verbergen. Er hatte angenommen, daß die HBC entkommen war – wen immer sie an Bord gehabt hatte. »Es gab … keine Überlebenden?«
»Nein, Rudi. Sie ist explodiert«, sagte Abbasi und bemühte sich, mit ruhiger, professioneller Stimme zu sprechen. »Es war … es war mein erster Abschuß – ich hätte nie gedacht, daß es so schwer sein würde.«
Keine große Heldentat, dachte Lutz zornig und angewidert. Raketen und Bordkanonen gegen nichts. Andererseits, Befehl ist Befehl, und die HBC war im Unrecht, wer auch immer an Bord saß. Sie hätte den Flug abbrechen sollen – ich hätte das zumindest getan. Wirklich? Augenblick mal! Hat Huschang sie im irakischen Luftraum abgeschossen? Na, ich werde ihm diese Frage nicht stellen. Wenn er es getan hat, wird er es mir nicht sagen – ich würde es auch verschweigen.
Bedrückt leerte er das kochende Wasser in die Kanne und warf dabei einen Blick durch das Fenster. Ein alter Bus hielt auf der Straße vor dem Flughafen. Er sah den hochgewachsenen Mann aussteigen. Er konnte ihn nicht gleich identifizieren. Dann aber erkannte er ihn, stieß einen Freudenschrei aus und lief zur Tür. »Entschuldige mich einen Moment …«
Sie trafen sich beim Tor. Die hezbollahis beobachteten sie neugierig. »Tom! Wie geht's? Wie zum Teufel kommst du hierher? Warum hast du uns nicht gesagt, daß du kommst? Wie steht's im Zagros-Gebirge und wie geht es Jean-Luc?« So groß war seine Freude, daß ihm weder Locharts Erschöpfung noch der Zustand seiner Kleider auffiel – staubig, fleckig und zerrissen.
»Ich habe dir viel zu erzählen, Rudi«, erwiderte Lochart, »aber ich bin total geschafft. Ich brauche unbedingt einen Tee … und Schlaf. Okay?«
»Selbstverständlich!« Lutz schaute ihn forschend an. »Komm mit, ich mache dir zu Ehren meine letzte Flasche Whisky auf.« Erst jetzt merkte er, in welchem Zustand sich sein Freund befand. »Was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus, als hätte man dich rücklings durch den Busch geschleift!« Es entging ihm nicht, wie Lochart verstohlen nach den Wächtern blinzelte, die in der Nähe standen und zuhörten.
»Nichts, Rudi, überhaupt nichts. Zuerst muß ich mich waschen …«
»Na klar. In meinem Wohnwagen.« Sehr beunruhigt ging er neben Lochart her. Noch nie war ihm der Freund so alt erschienen. Er sieht richtig mitgenommen aus … man könnte meinen, er hat irgendwo Bruch gemacht … Er sah Yemeni aus dem Bürofenster spähen. Fowler Joines und der andere Mechaniker hatten aufgehört zu arbeiten und kamen herübergeschlendert. Als dann Abbasi auf der Stufe des Wohnwagens erschien, schoß Lutz ein entsetzlicher Verdacht durch den Kopf. »O Gott!« stieß er hervor. »Doch nicht die HBC?«
Lochart blieb abrupt stehen. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. »Woher weißt du etwas von ihr?«
»Aber er hat doch gesagt, die HBC wäre durchlöchert worden – vom Himmel gefegt! Wie bist du da bloß rausgekommen?«
»Durchlöchert?« Lochart war entsetzt. »Wer … wer hat das gesagt?«
»Der iranische Offizier dort vor dem Wohnwagen – schau jetzt nur ja nicht hin –, er hat den Abfangjäger, die F 14, geflogen und sie heruntergeholt!« Mit einem starren Lächeln, bemüht, nicht aufzufallen, packte
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