Wirbelsturm
allein waren, »war es denn wirklich nötig, sie prügeln zu lassen?«
»In ein paar Tagen wird es nicht mehr nötig sein«, versicherte er ihr. »Bis dahin wird hier alles so funktionieren, wie ich es haben will.«
»Du wirst schon wissen, was du tust. Was ist mit dem Lösegeld?«
»Ach ja, das mache ich gleich.« Er ließ Ahmed kommen.
»Ich bedaure, Hoheit, der Khan, Ihr Vater, hat befohlen, dem Boten die Kehle durchzuschneiden, was ich dann gestern nachmittag auch anordnete.«
Azadeh und Hakim waren entsetzt. »Das ist ja schrecklich!« rief er aus. »Was können wir jetzt tun?«
»Ich werde versuchen, mit den Stammesangehörigen Kontakt aufzunehmen. Jetzt, wo Ihr Vater, der Khan, tot ist, werden sie mit Ihnen neu verhandeln wollen. Ich will es versuchen.«
Wie er da auf dem Platz des Khans saß, war ihm Ahmeds verbindliche Dreistigkeit nicht entgangen, und er begriff, in welcher Falle er saß. Angst bohrte in seinen Eingeweiden. Er spielte mit dem Smaragdring an seinem Finger. »Komm bitte in einer halben Stunde zurück, Azadeh.«
»Gewiß«, sagte sie gehorsam, und als er allein mit Ahmed war, fragte er: »Welche Waffen trägst du?«
»Ein Messer und eine Selbstladepistole, Hoheit.«
»Gib sie mir.« Er erinnerte sich, wie sein Herz geklopft hatte, und sein Mund war ungewöhnlich trocken gewesen, aber es mußte getan werden, und allein getan werden. Ahmed zögerte, gehorchte aber, obwohl er offensichtlich nicht darüber erfreut war, entwaffnet zu werden. Hakim tat so, als merke er nichts, überprüfte nur den Mechanismus der Pistole und entsicherte sie nachdenklich. »Jetzt paß mal gut auf, Berater. Du wirst nicht versuchen, mit den Leuten Kontakt aufzunehmen. Du wirst das sehr schnell tun und alles Erforderliche unternehmen, damit der Mann meiner Schwester heil zurückgebracht wird. Bei Allah und seinem Propheten, dafür haftest du mir mit deinem Kopf!«
»Ich … selbstverständlich, Hoheit.« Ahmed versuchte, sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen.
Lässig richtete Hakim die Pistole auf ihn. »Ich habe bei Allah geschworen, dich als ersten Ratgeber zu betrachten, und das werde ich auch tun – solange du lebst.« Er lächelte schief. »Selbst wenn dich deine Feinde verstümmeln, kastrieren oder gar blenden sollten. Hast du Feinde, Ahmed Dursak?«
Ahmed lachte, völlig beruhigt jetzt, zufrieden, daß ein Mann Khan geworden war, und nicht der dumme Schwächling, den er erwartet hatte. Man kommt um vieles leichter mit einem Mann aus, dachte er, während sein Selbstvertrauen zurückkehrte. »Viele, Hoheit, viele. Inscha'Allah. Ich wußte gar nicht, daß Sie mit Schußwaffen umgehen können.«
»Es gibt viele Dinge, die du von mir noch nicht weißt, Ahmed«, erwiderte Hakim voll grimmiger Befriedigung. Er hatte einen wichtigen Sieg errungen. Er gab ihm das Messer zurück, nicht aber die Pistole. »Die behalte ich als Pischkesch. Ein Jahr und einen Tag lang komm nicht mehr bewaffnet zu mir!«
»Wie kann ich Sie dann schützen, Hoheit?«
»Mit Klugheit.« Von der Gewalt, die sich seit Jahren in ihm angestaut hatte, war nur ein Bruchteil zum Vorschein gekommen. »Du mußt mir deinen Wert erst beweisen – mir allein. Was meinem Vater zugesagt hat, muß nicht unbedingt auch mir zusagen. Wir leben in einer neuen Zeit, mit neuen Möglichkeiten und neuen Gefahren.«
Den Rest des Tages hatte er damit verbracht, bedeutende Persönlichkeiten aus Täbris und Aserbeidschan zu empfangen und ihnen viele Fragen zu stellen: über den Aufstand und die Linken, die Mudjaheddin, die Fedajin und andere Gruppierungen. Bazaaris waren gekommen und Mullahs und zwei Ayatollahs, hohe Militärs und sein Cousin, der Polizeichef, den er in seinem Amt bestätigt hatte. Alle hatten ein angemessenes Pischkesch mitgebracht.
Und das war auch recht so, dachte er sehr zufrieden und entsann sich ihrer Geringschätzung in vergangenen Tagen, als seine Verbannung nach Khoy in aller Munde gewesen war. Diese Geringschätzung werden sie noch teuer bezahlen …
»Ihr Bad, Hoheit, und Ahmed ist da.«
»Er soll reinkommen, Ischtar. Du bleibst.« Nachdenklich sah er zur Tür. Ahmed war müde, seine Kleidung verschmutzt und zerknittert.
»Salaam, Hoheit.«
»Was ist mit dem Lösegeld?«
»Gestern spät abends fand ich zwei Angehörige des Stammes. Ich erklärte ihnen, daß Abdullah Khan tot sei und der neue Khan mir befohlen habe, ihnen auf Treu und Glauben sofort das halbe Lösegeld zu geben und die andere Hälfte zu garantieren,
Weitere Kostenlose Bücher