Wirbelsturm
haben wir eine echte Chance«, murmelte er. Er wußte, wo er die Maschine sicher abstellen und wie er sich heimlich nach Teheran hineinschleichen konnte. Er war wieder voll Zuversicht, schmiedete immer neue Pläne, überlegte, was er Meschang sagen würde und was nicht, was er Scharazad erklären sollte und wie sie fliehen würden. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, an ihren rechtmäßigen Erbteil heranzukommen …
Als er fertig war, hielt er Nachschau in der Unterkunft und fand einige Dosen Corned beef und ein halbes Dutzend Flaschen Bier. Er setzte sich auf den Antritt zum Cockpit, öffnete eine Dose und schlang das Essen hinunter. Dann griff er nach einer Bierflasche, die er zum Kühlen in den Schnee gesteckt hatte, und trank einen Schluck. In einem Faß war Wasser; er spritzte sich ein paar Tropfen ins Gesicht, um sich zu erfrischen, wagte aber nicht, es zu trinken. Er trocknete sich das Gesicht ab. Die Bartstoppeln kratzten. In seiner Reisetasche hatte er einen batteriebetriebenen Rasierapparat, und er holte ihn hervor. »Rasieren kannst du dich doch in Teheran«, sagte er zu seinem Spiegelbild in der Windschutzscheibe. Er wollte weiter.
Teheran – vor dem Hause Bakravan nahe dem Basar: 17 Uhr 15. Die Tür in der Außenmauer ging auf, und zwei dichtverschleierte Frauen – nicht wiederzuerkennen: Scharazad und Jari – kamen auf die Straße. Jari schloß die Tür und watschelte eilig hinter Scharazad her, die rascher ausschritt. »Warte, Prinzeßchen, warte! Wir haben doch keine Eile …«
Aber Scharazad ging nicht langsamer, bis sie um die Ecke gebogen waren. Erst dann blieb sie stehen und wartete ungeduldig. »Ich verlasse dich hier, Jari«, sagte sie und ließ der alten Frau keine Zeit, sie zu unterbrechen. »Geh nicht wieder gleich nach Hause. Wir treffen uns im Café, du weißt, in welchem, um halb sieben. Wenn ich mich verspäte, warte auf mich.«
»Aber Prinzeßchen …« Jari brachte kaum ein Wort hervor. »Und Exzellenz Meschang? Du hast doch gesagt, du gehst zum Arzt, und jetzt …«
»Um halb sieben im Café!« Um ihrer Zofe zu entkommen, die sich bereits anschickte, sie zu verfolgen, eilte Scharazad davon, hastete die Straße hinunter, ohne auf den Verkehr zu achten, bog in eine Seitengasse ein und war verschwunden. »Ich werde diesen scheußlichen Menschen nicht heiraten, nein, das werde ich nicht!« murmelte sie laut.
Es hatte schon an diesem Vormittag angefangen, obwohl Meschang erst beim Mittagessen darauf zu sprechen gekommen war. Eine Stunde vor der Mahlzeit war ihre beste Freundin gekommen, um sich zu erkundigen, ob es mit den Gerüchten seine Richtigkeit habe, wonach Scharazad in die Familie Farazan einheiraten werde. »Im ganzen Basar spricht man von nichts anderem, teure Scharazad, und darum bin ich gleich gekommen, um dich zu beglückwünschen.«
»Mein Bruder hat viele Pläne«, hatte sie lächelnd geantwortet. »Da ich jetzt geschieden werden soll, habe ich viele Verehrer …«
»Versteht sich, versteht sich, aber dem Gerücht zufolge hat Farazan dem Brautpreis bereits zugestimmt und gluckst vor Vergnügen, weil er Meschang dabei tüchtig hereingelegt hat.«
»Meschang hereingelegt? Das muß eine Lüge sein.«
»Ich wußte, daß die Gerüchte falsch sind, ich wußte es! Wie könntest du den alten Diarrhö-Daranousch, den Scheißhaus-Schah, heiraten? Wie könntest du?« Ihre Freundin hatte sich vor Lachen ausgeschüttet.
»Und wenn schon!« hatte dann beim Mittagessen Meschang sie angeschrieen. »Die Weiber sind doch nur neidisch. Die Hochzeit wird stattfinden, und heute abend kommt er zum Essen.«
Vielleicht, dachte sie wütend, wird der Abend nicht so ausfallen, wie er sich das vorstellt!
Mit weichen Knien setzte sie nun ihren Weg fort. Ihr Ziel war die Wohnung des Freundes von Ibrahim, nicht weit von hier. Dort würde sie unten im Versteck den Schlüssel finden, im Schlafzimmer den Teppich und dann eine Diele aufheben, wie er es ihr gezeigt hatte. Sie würde die Pistole und die Handgranate herausnehmen, Diele und Teppich sorgfältig wieder an Ort und Stelle bringen und heimgehen. Sie konnte ihre Erregung kaum verbergen. Er wird so stolz auf mich sein, wenn ich mich für Allah dem Kampf stelle, für Allah zur Märtyrerin werde.
Wie klug von ihm, daß er mir gezeigt hat, wie man die Pistole entsichert und wie man die Handgranate hält, wie man den Stift herauszieht und sie dann auf die Feinde des Islam schleudert.
»Allah ist groß, Allah ist groß …«
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