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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Mitleidenschaft gezogen worden. Da, wo die Felsen ins Meer gestürzt waren, fand ich eine kleine Höhle.
    An der Rückwand der Höhle war ein Vorsprung, und dort, in einem Loch im Fels, hatte jemand ein kleines, eisernes Kästchen deponiert. Im Inneren des Kästchens fand ich eine fast zerfallene Lederrolle. Ich weiß nicht, um welche Sprache es sich handelte, aber es muss eine sehr, sehr alte gewesen sein.«
    »Und Sie sind damit noch nicht nach Cambridge zu einem Gelehrten des Mittelalters gegangen?«
    »O nein, das wäre sicherlich das Letzte, was ich tun würde. Ich möchte, dass Sie es sich anschauen, Lord Beecham. Ihre erste Aufgabe als mein Partner, sozusagen.«
    Verwundert schaute Lord Beecham Helen an. »Woher wissen Sie, dass ich in Oxford zwei Jahre damit verbracht habe, die dort vorhandenen mittelalterlichen Schriftrollen zu studieren, vor allem die, die aus dem Heiligen Land hierher gebracht wurden? Mit Blunders Redseligkeit können Sie mir das nicht erklären. Er weiß nichts davon.«
    »Einer der Geistlichen hat von Ihnen gesprochen. Er sagte, Sie hätten bei seinem Bruder studiert.«
    »Gilliam«, sagte Lord Beecham und versank für einem Augenblick in der Erinnerung an die aufregende Zeit seines Studiums, als hinter jeder Ecke eine Entdeckung auf ihn wartete und Professor Gilliam immer neue Pergamente aus den Kellergewölben der Universität hervorzauberte.
    »Ja, sein Bruder ist Pfarrer von Dereham. Bei ihm ließen sich meine Eltern zum letzten Mal trauen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Oh, Sie müssen wissen, dass mein Vater sehr romantisch ist. Er hat so viel Freude an Festlichkeiten, dass er und meine Mutter gleich dreimal heirateten. Pfarrer Gilliam ist ein sehr flexibler und toleranter Mann. Er und mein Vater wurden Freunde.«
    »Warum aber haben Sie die Lederrolle nicht einfach zu seinem Bruder gebracht?«
    »Er ist letztes Jahr verstorben.«
    »Das wusste ich nicht«, murmelte Lord Beecham und fühlte sich auf einmal unendlich schuldig. Natürlich hatte er nichts davon gehört. Warum sollte man ihm, einem vergnügungssüchtigen Nobelmann, der sich um nichts scherte, außer um sich selbst, davon erzählen.
    Sanft legte Helen ihm ihre Hand auf den Arm. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich traf ihn einmal in der Pfarrei seines Bruders. Es war sehr eigenartig. Er redete sehr viel, aber nicht mit uns, sondern, wie ich erfuhr, mit Personen aus der Zeit, die er erforschte, aus dem dreizehnten Jahrhundert. Er erklärte ihnen immer wieder, dass er über das eine oder das andere noch mehr wissen müsse. Dann hörte er auf zu reden, und es schien tatsächlich, als ob er jemandem zuhörte.
    Der Pfarrer sagte mir, ich solle mir keine Gedanken machen. Nach seinen vermeintlich verrückten Unterhaltungen verfasse sein Bruder in der Regel äußerst bemerkenswerte Aufsätze.
    Es wurde aber noch seltsamer. Als er wieder in die Gegenwart zurückfand und seinen Bruder und mich sah, sagte er zu mir: >Wie bezaubernd Sie sind. Was ich aber noch bezaubernder finde, ist, dass Sie sich Ihren Verstand nicht vernebeln lassen.<«
    Lord Beecham lachte, ein freies, volles Lachen. Erinnerungen an glückliche Tage stiegen in ihm auf. Damals war er zwanzig Jahre alt gewesen. Sein dringendstes Bestreben war es gewesen, all das zu lernen, was Professor Gilliam wusste. Einmal hatte er ihm, seinem eifrigsten Schüler, auf die Schulter geklopft und gesagt, er sei sehr froh, dass er, Spenser, seinen Verstand ausgerechnet ihm anvertraut habe. Aber Lord Beecham war nicht in Oxford geblieben. Sein Vater starb, und er ging und trat sein Erbe als siebter Baron Valesdale und fünfter Graf Beecham an.
    »Ich weiß noch, wie Professor Gilliam einmal verkündete, dass die katholische Kirche sich irre«, sagte Lord Beecham und in seiner Stimme lag ein Hauch von Sehnsucht. »Ein Mann müsse keineswegs die fleischliche Lust aufgeben, um Gott dienen zu können. Er müsse es lediglich ernst meinen, mit Gott und mit den Frauen.«
    »Es hat mir immer gefallen, dass der Bruder des Professors zur anglikanischen Kirche übergetreten ist«, sagte Helen lächelnd.
    »Ich bat ihn, die Schrift zu übersetzen, aber er sagte mir, dass er dazu nicht in der Lage sei. Bei dieser Gelegenheit hat er Sie empfohlen. Was sagen Sie dazu, Lord Beecham?«
    Lord Beecham starrte eine ganze Weile auf den Boden. »Ich habe so viel vergessen«, sagte er schließlich.
    »Das macht nichts.« Sie sah ihn eindringlich an. »Ein Großteil der Aufsätze, Übersetzungen und

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