Wissen auf einen Blick - Ozeane und Tiefsee
Schwarzen Raucher wurden erst 1977 entdeckt. US-amerikanische Wissenschaftler an Bord des Forschungs-U-Bootes „Alvin“ stießen damals auf ein Feld von heißen Quellen vor den Galapagosinseln. Seither haben sich etliche internationale Wissenschaftlerteams auf die Reise zu solchen Unterwasserhexenküchen gemacht.
Doch bisher glauben die Forscher gerade einmal 10 – 15% aller heißen Quellen zu kennen, die entlang der 60 000 km langen Mittelozeanischen Rücken sprudeln.
Die verlorene Stadt
Im Dezember 2000 entdeckten amerikanische und Schweizer Wissenschaftler am Grund des mittleren Atlantiks ein ungewöhnliches Feld von Tiefseequellen. Dort laufen ganz andere chemische Reaktionen ab als an den schon länger bekannten „Schwarzen Rauchern“. „Lost City“ (Verlorene Stadt) haben die Forscher die Ansammlung von weißen Kalkschornsteinen genannt, deren Schlote 30–60 m aufragen
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Das Foto aus dem Jahr 2005 zeigt die Spitze eines Schwarzen Rauchers vor den Galapagosinseln
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(c) UCSB, Univ. S. Carolina, NOAA, WHOI
Lebende Chemiefabriken
Bakterien leben von Chemosynthese
Ohne Sonnenlicht gibt es kein Leben. Denn seine Energie bildet die Grundlage aller Nahrungsketten. Pflanzen und Bakterien fangen die Strahlung ein und gewinnen daraus Energie und Bausteine für ihren Organismus. Und von der so aufgebauten organischen Substanz leben dann alle anderen Bewohner des Planeten. So hatten sich Wissenschaftler das bis in die 1970er-Jahre vorgestellt. Dann aber wurden die ersten heißen Tiefseequellen entdeckt. Und dort gibt es in tiefer Finsternis Lebensgemeinschaften, die nach ganz anderen Regeln funktionieren.
Wenn man Wasserproben aus heißen Tiefseequellen untersucht, fällt oft zunächst der Geruch auf. Aus dem Reagenzglas steigt ein penetranter Gestank nach faulen Eiern. Jeder Chemiker weiß sofort, womit er es zu tun hat: Schwefelwasserstoff. Für die meisten Lebewesen ist das eine extrem giftige Substanz.
Muscheln mit Untermietern
Auch manche Muscheln an den Tiefseequellen haben einzellige Mitbewohner aufgenommen. In ihren Kiemen siedeln Bakterien, die ein Talent für die Chemosynthese haben. Mit den Produkten aus diesen lebenden Chemiefabriken decken die Weichtiere einen großen Teil ihres Energiebedarfs. Allerdings besitzen sie zusätzlich auch die körperliche Ausstattung, um andere Bakterien ganz normal fressen zu können
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Lebensquell Schwefelwasserstoff
Doch die Bewohner der Hydrothermalquellen leben davon. Man hat dort Bakterien gefunden, die aus Schwefelwasserstoff und anderen Schwefelverbindungen organische Substanz herstellen können. Andere Arten können auch Methan verarbeiten. Die Einzeller der Tiefseequellen haben also einen Weg gefunden, ohne Sonnenlicht an Energie und Körperbausteine zu kommen. Sie nutzen einfach die Emissionen, die aus den Schornsteinen der Chemiefabriken am Meeresgrund quellen. „Chemosynthese“ nennen Wissenschaftler dies. Von den Einzellern ernährt sich dann der gesamte Rest der Lebensgemeinschaft, die sich um die heißen Quellen angesiedelt hat.
Leben ohne zu fressen
Manche Organismen machen den üblichen Zyklus aus Fressen und Gefressenwerden allerdings nicht mit. So staunten Biologen nicht schlecht, als sie zum ersten Mal Bartwürmer aus der Gattung
Riftia
unter die Lupe nahmen. Diese bizarren Lebewesen, die Körper mit roten Anhängseln aus weißen Wohnröhren strecken, kommen an heißen Tiefseequellen massenweise vor. Sie können bis zu 3 m lang und armdick werden – beeindruckende Dimensionen für einen Wurm. Wie aber halten sie diesen Körper am Leben? Diese Frage war für Biologen eine harte Nuss. Denn die Riesenwürmer besitzen kein Maul und keinen Magen, keinen Darm und keinen After. Fressen können sie also nicht.
Bei genaueren Untersuchungen aber fanden sich in den Tieren Bakterien, die Schwefelwasserstoff verarbeiten. Mehr als die Hälfte des Gewichts der Bartwürmer machen diese kleinen Mitbewohner aus. Die roten Anhängsel von
Riftia
sind Kiemen mit einem speziellen Blutfarbstoff, der Schwefelverbindungen, Kohlendioxid und andere aus den heißen Quellen strömende Verbindungen transportieren kann. Mit dessen Hilfe versorgen die Würmer ihre einzelligen Untermieter mit allem, was diese zum Leben brauchen. Im Gegenzug bekommen sie von den Bakterien Nährstoffe für ihren eigenen Organismus.
Die Mikroskopaufnahme zeigt das Riesenbakterium
Thiomargarita namibiensis.
Die Bakterien leben im Sediment des Meeresbodens von Schwefelwasserstoff, den sie in
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