Wissen auf einen Blick - Ozeane und Tiefsee
eroberte die Küsten von Aserbaidschan, Iran und Russland. Auch dort waren die Folgen so verheerend, dass sich die Qualle die zweifelhafte Bezeichnung „Kaspisches Monster“ einhandelte. In nur wenigen Monaten schrumpften die Bestände des sardellenähnlichen Kilka drastisch. Statt wie vor der Qualleninvasion 3–6 t Kilka pro Nacht aus dem Wasser zu holen, brachten es die Fischer nach dem Auftauchen der Rippenquallen mit Glück noch auf eine halbe Tonne. Und nicht nur die Netze blieben leer, sondern auch die Mägen von Robben und Delfinen, deren Bestände ebenfalls schrumpften.
Die eingeschleppten Rippenquallen hatten ein ganzes Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht.
Biologen vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) entdeckten die Rippenqualle
Mnemiopsis leidyi
im Herbst 2006 erstmals auch in der Kieler Förde
.
(c) IFM-GEOMAR, Kiel/Jamileh Javidpour
Wie das Watt sich ändert
Der Mensch gestaltet die Küste
Ein Nationalpark sollte auch im dicht besiedelten Europa eine möglichst wenig vom Menschen beeinflusste Landschaft sein. Genau das trifft scheinbar auf die drei deutschen Nationalparks an der Nordseeküste zu: Vor dem Deich erstreckt sich die geschützte Naturlandschaft, hinter dem Deich liegen die fetten Äcker und Weiden der Kulturlandschaft.
Unnatürliche Trennung
Der Eindruck einer Naturlandschaft aber täuscht. Das Wattenmeer sah vor Jahrtausenden noch anders aus. Damals gingen Meer und Land allmählich ineinander über, heute schaffen die Deiche eine scharfe Trennungslinie zwischen See und Marschland. Bei Sturm brandet das Meer daher an den Deich, früher dagegen liefen die Wellen am flachen Ufer allmählich aus und verloren dabei ihre Energie. Den Unterschied kann man mit dem Zollstock messen: In den letzten 1000 Jahren hat sich der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser um 30 cm vergrößert. Das Hochwasser läuft heute einfach weiter auf, 1,3 m höher als vor 1000 Jahren steht das Wasser bei Sturm inzwischen.
Grote Mandränke
Der Übergang zwischen Kultur- und Naturlandschaft ist fließend, manchmal wechseln sich die vom Menschen gemachte Landschaft und die relativ unbeeinflusste Natur einander sogar ab. So befanden sich in Nordfriesland an vielen Stellen, die der Nationalpark heute als Wattenmeer schützt, einst Siedlungen und Ackerland. Damals entwässerten die Menschen das Land und bauten Torf ab. Dadurch sackten im Lauf der Jahrzehnte ganze Landstriche unter den Meeresspiegel
.
Diese leicht zu überschwemmenden Gebiete wurden dann prompt vom Meer zurückgeholt, als immer wieder schwere Sturmfluten die Küsten heimsuchten. Vom 15. bis 17. Januar 1362 ließ z. B. die „Grote Mandränke“ große Teile Nordfrieslands untergehen. Mehr als 2 m über der Krone der höchsten Deiche schlugen die Wellen, bis zu 100 000 Menschen verloren ihr Leben. Gleich an mehreren Stellen der deutschen Küste entstanden neue, zum Teil riesige Buchten wie der Dollart, die Leybucht, die Harlebucht und der Jadebusen. Die nächste „Grote Mandränke“ am 11. und 12. Oktober 1634 zerriss die Insel Strand in die heutigen Inseln Pellworm und Nordstrand, bis zu 15 000 Menschen starben. Danach aber schoben neue Deiche die zurückgekehrte Küstenlinie wieder weiter seewärts
.
Bei höheren Wasserständen aber rauscht auch die Flutwelle heute mit höherem Tempo durch das Watt. Dadurch wiederum werden die „Priel“ genannten Abflussrinnen tiefer und breiter ausgewaschen. Ruhige Buchten werden seltener, in denen sich feinkörniger Schlick ablagern kann. Solche Buchten aber sind besonders nährstoffreich, und auf solche Biotope angewiesene Arten kommen langsam in Bedrängnis.
Trübe Aussichten für die Auster
Die nicht abgesetzten Schlickteilchen trüben heute das Meerwasser. Aus diesem Grund könnten mehrere Versuche gescheitert sein, die Europäische Auster im Wattenmeer wieder anzusiedeln, denn Austernbänke brauchen ruhiges und klares Wasser. Eines ist damit klar: Der Mensch beeinflusst das Land vor den Deichen deutlich.
Dennoch ist das Wattenmeer keine Kulturlandschaft. Es würde ja auch niemand die Antarktis als Kulturlandschaft bezeichnen, obwohl der lange Arm des Menschen in Form des Treibhauseffekts, der Quecksilberverschmutzung oder anderer Einflüsse durchaus die Gletscher des weißen Kontinents erreicht.
Schafe grasen auf einer riesigen Weide vor dem Leuchtturm von Westerhever. Westerhever ist ein kleines Dorf auf der Eiderstedter Halbinsel im Landkreis Nordfriesland. Die
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