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Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

Titel: Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romana Grimm
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Banknoten steckten. Sie stopfte noch einige mehr dazu, vermutlich Einkünfte aus dem Eisverkauf, dann ging es weiter in ein großes, mit alten Möbeln eingerichtetes Wohnzimmer. Für Seth sah es aus wie eins dieser enormen Studierzimmer aus dem neunzehnten Jahrhundert, zwar vollgestopft mit Büchern und Krimskrams, aber trotzdem so geräumig, dass man keine Beklemmung bekam.
    „Hab keine Angst, vor den Leuten in unserem kleinen Städtchen hast du nichts zu befürchten “, lächelte sie ermutigend. „Hier wird nicht geklaut, falls du dir deshalb Sorgen machst. Du kommst bestimmt aus einer Großstadt, hm? Also dort kann man nie vorsichtig genug sein, das haben Charlie und ich in Neu Delhi gemerkt. Da war was los, Halsabschneider an jeder Ecke!“
    „Ehrlich? Ich war nur mal auf Hawaii “, sagte Seth beeindruckt.
    „Du bist jung, die Welt steht dir offen. “ Sie winkte ihn zu einem mittelgroßen Schrank heran, der links eine Vitrine und am oberen rechten Ende einen kleinen, ovalen Spiegel hatte.
    So ein Möbelstück hatte Seth noch nie gesehen, und unwillkürlich trat er dicht vor die Glastür, um sich die goldverzierten, alten Bücher darin näher anzusehen.
    „Das sind Bücher aus England, Kräuterkunde, alte Mythen, solche Sachen“, erklärte die alte Dame. „Ich habe sie immer gern gelesen, weil ich mich so furchtbar gern grusele.“
    „Ja, die sehen toll aus “, murmelte Seth. „Und was ist das für ein irrer Schrank? Wo kann man so was kaufen?“
    „So einen leider gar nicht, das ist ein antiker Sekretär. Man kann hier einen kleinen Tisch ausklappen, siehst du? “ Sie öffnete das Tischchen und gab den Blick auf sein Inneres preis. In den kleinen Fächern über der Schreibfläche steckten Papier und Umschläge, ein Füller, Siegelwachs, ein Messingsiegel sowie eine Packung Streichhölzer. „Die Dame, die ihn uns verkaufte, hat viele Liebesbriefe darauf verfasst. Leider ist ihr Verlobter im zweiten Weltkrieg gefallen, deshalb hat sie sich Jahre später davon getrennt. Ihr neuer Mann fühlte sich nicht wohl damit.“
    „Sie kennen ja viele Geschichten, Mrs.  …“
    „Einfach Gretchen, mein Lieber. Und du bist? “
    „Seth. “ Auf ihre fragend erhobene Augenbraue fügte er hinzu: „Seth Morgan.“
    Erken ntnis huschte über ihr Gesicht – nach dem Aufruhr, den Haileys Einmarsch in Blackwood Springs verursacht hatte, war das auch kein Wunder – aber die üblichen Sprüche blieben aus. Gretchen sagte lediglich: „Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Seth. Nur zu, nimm dir ein Buch und schau rein. Ich sehe derweil nach meinem Mann. Der Arme ist seit seinem Schlaganfall ans Bett gefesselt und muss alle zehn Minuten wissen, was hier passiert.“
    „Das tut mir leid. “
    Ihre fröhliche Miene trübte sich etwas. „Ja, uns auch. Er hat endlich einen Platz im Pflegeheim bekommen, nur ist das leider nicht billig. Deshalb verkaufen wir gerade alles, von dem wir uns irgendwie trennen können, weißt du? “
    Unbehaglich hob er die Schultern. „Ehrlich, das  … das tut mir echt leid. Vielleicht sollte ich besser gehen.“
    „Aber warum denn, um Himmels willen? “ fragte Gretchen verblüfft. „Wir sind froh, wenn was los ist, das kannst du mir glauben. Die Grabesstille kommt noch früh genug. Also, sieh dich ganz in Ruhe um, ich bin gleich wieder da.“
    „Wollen Sie wirklich nicht hier bleiben? “, fragte Seth vorsichtig. „Sie kennen mich doch gar nicht.“
    „Ach was. Du bist ein netter Junge, ganz bestimmt. Sieh dich um, und wenn dir etwas gefällt, lass es mich wissen. “
    Seth wollte ihre Gefühle nicht verletzen, darum nickte er stumm und sah zu, wie sie die Treppen emporstieg. Erst, als sie fort war, wagte er es, die Vitrine zu öffnen und ein es der Bücher herauszuholen. Es war roséfarben und hatte einen speckigen Ledereinband. Es fühlte sich alt an, schien aber nicht empfindlich zu sein. Seth legte es vorsichtig auf den ausgeklappten Tisch des Sekretärs und schlug es in der Mitte auf. Fast befürchtete er, es könnte zu schwer für die filigranen Scharniere sein, aber der Sekretär war stabiler, als er aussah.
    „Abgefahren “, flüsterte er und fuhr ganz sachte die Tuschezeichnung eines Kobolds nach, der an einem Baumstumpf hockte. Verblassende Tinte und schmuddeliges Papier ließen ihn sofort an die Requisiten für Haileys Fernsehserie denken, nur rochen ihre Bücher neu und sauber, nicht wie alter Zigarrenrauch, Staub und ein wenig nach Verfall.
    Seth

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