Witwe für ein Jahr (German Edition)
Davor hatten sich seine Bemühungen, die Ereignisse und Erfahrungen des Sommers 1958 in eine literarische Form zu bringen, auf eine viel zu lange Short story beschränkt, die auf der katastrophalen Übergabe von Ted Coles Zeichnungen an Mrs. Vaughn basierte.
In Eddies Geschichte sind es keine Zeichnungen, sondern pornographische Gedichte. Die Figur des unglücklichen Schriftstellerassistenten, der Mrs. Vaughns Zorn zum Opfer fällt, hat große Ähnlichkeit mit Eddie, während Mrs. Vaughn unverändert geblieben ist – bis auf den Namen: Mrs. Wilmot (der einzige Name von der Liste sämtlicher in den Hamptons lebender Exonianer, den Eddie im Kopf behalten hatte). Natürlich hat Mrs. Wilmot einen sympathischen südamerikanischen Gärtner, und diesem feinen Mann fällt die Aufgabe zu, die zerfetzten pornographischen Gedichte aus den Hecken ringsum zu zupfen und aus dem kleinen Springbrunnen in der kreisrunden Einfahrt zu fischen.
Die Figur des Gedichteschreibers hatte nur wenig Ähnlichkeit mit Ted. Der Dichter ist blind, weshalb er überhaupt einen Assistenten benötigt – und natürlich auch einen Chauffeur. In Eddies Geschichte ist er unverheiratet, und die Schuld am Ende seiner Affäre mit einer Figur namens Mrs. Wilmot, an die seine schockierenden Gedichte gerichtet sind, wird der Frau zur Last gelegt. Der blinde Dichter ist ein durch und durch sympathischer Mensch, dessen leidiges Schicksal es ist, immer wieder von häßlichen Frauen verführt und dann verlassen zu werden.
Da es Anzeichen dafür gibt, daß sich der Dichter in seiner tragischen Liebe zu der garstigen Mrs. Wilmot nicht erschüttern läßt, unternimmt der als Mittelsmann arg gebeutelte Assistent einen heldenhaften Vorstoß, der ihn seinen Job kostet. Er schildert dem blinden Dichter, wie die abscheuliche Mrs. Wilmot in Wirklichkeit aussieht; zwar bringt seine Beschreibung den Dichter so in Rage, daß er den jungen Mann hinauswirft, doch erlöst ihn dessen Aufrichtigkeit von seinem selbstzerstörerischen Hang zu Frauen wie Mrs. Wilmot. (Das Thema Häßlichkeit wird etwas grobschlächtig und stümperhaft behandelt, denn obwohl es Eddie um Mrs. Wilmots charakterliche Häßlichkeit ging, stößt sich der Leser vor allem an ihrem häßlichen Äußeren.)
Offen gestanden war es eine grauenhafte Geschichte. Doch als Kostprobe von Eddies keimendem schriftstellerischem Talent beeindruckte sie Mr. Havelock immerhin so, daß er den jungen Mann in seinen Kurs Englisch 4W aufnahm; und dort, im Kreise aufstrebender Jungschriftsteller, begann sich das Thema, das Eddie viel mehr lockte – junger Mann mit älterer Frau – zu entfalten.
Natürlich war Eddie zu schüchtern, um diese ersten Versuche seinen Mitschülern zu zeigen. Er händigte sie vertraulich Mr. Havelock aus, der sie nur seiner Frau zeigte; ja, eben jener Frau, deren BH -Losigkeit und pelzige Achselhöhlen Eddie einst seine ersten Onanierwonnen beschert hatten. Mrs. Havelock nahm lebhaft Anteil an Eddies Entwicklung des Themas Junger-Mann-und-ältere-Frau.
Verständlicherweise interessierte sie sich mehr für das Thema als für Eddies Prosa. Schließlich war sie eine kinderlose Frau Mitte Dreißig und das einzig konkrete Objekt der Begierde in einer geschlossenen Gemeinschaft von fast achthundert halbwüchsigen Jungen. Auch wenn sie noch bei keinem in Versuchung geraten war, waren ihr die gierigen Blicke der Jungen nicht entgangen. Der bloße Gedanke an eine solche Beziehung stieß sie ab. Sie war glücklich verheiratet und restlos davon überzeugt, daß Jungen … eben Jungen waren. Daher stachelte allein schon das Abartige an der sexuellen Beziehung zwischen einem sechzehnjährigen Jungen und einer neununddreißigjährigen Frau, die in Eddies Geschichten wiederholt geschildert wurde, ihre Neugier an. Sie war in Deutschland geboren; ihren Mann hatte sie als Austauschstudentin in Schottland kennengelernt – Mr. Havelock war Engländer –, und die Tatsache, daß sie in einem der besten amerikanischen Jungeninternate eingesperrt war, verwirrte und deprimierte sie nachhaltig.
Obwohl Eddies Mutter Anstoß an Mrs. Havelocks »unkonventioneller Haltung« nahm, tat diese nichts, um die Jungen bewußt aufzureizen. Wie jede gute Ehefrau machte sie sich so attraktiv wie möglich für ihren Mann; und er war es, der seine Frau lieber ohne BH sah und sie anflehte, ihre Achselhöhlen unrasiert zu lassen, weil er nichts so anziehend fand wie Natürlichkeit. Mrs. Havelock hielt sich ihrerseits für etwas
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