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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht gegen Abtreibung, weder im Hinblick auf mich selbst noch im Hinblick auf andere«, sagte Ruth. »Bei mir ist der Fall nur einfach nie eingetreten.«
    Sie wußte sehr wohl, daß bei Hannah der Fall noch zweimal eingetreten war. Sie hatten sich an denselben erstklassigen Colleges beworben. Als Hannah von den meisten eine Absage erhielt, gingen sie nach Middlebury. Es kam ihnen in erster Linie darauf an, beisammenzubleiben, wie sie behaupteten, auch wenn das vier Jahre Vermont bedeutete. Rückblickend fragte sich Ruth, warum Hannah so viel Wert darauf gelegt hatte, »beisammenzubleiben«, da sie in Middlebury die meiste Zeit mit einem Hockeyspieler verbrachte, der eine herausnehmbare Zahnkrone hatte; er schwängerte sie zweimal, und als sie sich trennten, versuchte er sein Glück bei Ruth. Das veranlaßte sie zu ihrer berühmt-berüchtigten Bemerkung zum Thema »Regeln für Beziehungen«.
    »Was für Regeln denn?« hatte Hannah gefragt. »Unter Freunden gibt es doch keine Regeln.«
    »Regeln unter Freunden sind ganz besonders wichtig«, hatte Ruth ihrer Freundin erklärt. »Zum Beispiel gehe ich mit keinem Jungen aus, der irgendwann mal mit dir ausgegangen ist oder dich zuerst gefragt hat.«
    »Und umgekehrt?« wollte Hannah wissen.
    »Na ja.« (Diese Angewohnheit hatte Ruth von ihrem Vater übernommen.) »Das bleibt dir überlassen«, sagte sie zu Hannah, die nie gegen diese Regel verstoßen hatte, zumindest nicht, soweit Ruth wußte. Ruth selbst hielt sich hundertprozentig an ihre Regeln.
    Und nun kam Hannah zu spät! Während Ruth auf den Monitor schaute, auf dem Eddie O’Hare sich mühsam vorankämpfte, war ihr bewußt, daß der Bühnenarbeiter sie verstohlen betrachtete. Er war der Typ Mann, den Hannah als »niedlich« bezeichnete; sie hätte garantiert mit ihm geflirtet, aber Ruth flirtete selten. Außerdem war er nicht ihr Typ, sofern sie überhaupt einen Typ hatte. (Sie hatte schon einen, und der bereitete ihr mehr Kopfzerbrechen, als sie sagen konnte.)
    Ruth warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Eddie war noch immer bei ihrem ersten Roman. Wenn das so weitergeht, sitzen wir wahrscheinlich die ganze Nacht hier! dachte Ruth, als Eddie wieder einen Schluck von ihrem Wasser trank. Und wenn er erkältet ist, stecke ich mich an, überlegte sie.
    Ruth spielte mit dem Gedanken, Eddie ein Zeichen zu geben. Dabei fiel ihr Blick auf den Bühnenarbeiter, der auf ihren Busen glotzte. Müßte Ruth einen Punkt nennen, in dem die meisten Männer unglaublich dumm waren, würde sie sagen, daß sie anscheinend keine Ahnung hatten, wie offensichtlich es für eine Frau war, wenn ein Mann auf ihren Busen starrte.
    »Ich kann nicht behaupten, daß das mein größtes Problem mit Männern ist«, hatte Hannah ihr erklärt. Hannahs Brüste waren ziemlich klein, fand zumindest Hannah. »Bei Titten wie den deinen, wo soll ein Mann denn da sonst hinstarren?« hatte sie Ruth gefragt.
    Doch wann immer Ruth und Hannah zusammen waren, sahen die Männer grundsätzlich erst Hannah an. Sie war groß und blond und hatte eine aufreizende Figur. Ruth fand sich selbst längst nicht so sexy.
    »Das liegt nur an der Kleidung, ich ziehe mich eben sexy an«, hatte Hannah ihr erklärt. »Wenn du versuchen würdest, dich wie eine Frau zu kleiden, würden die Männer dich eher wahrnehmen.«
    »Mir genügt es, daß sie meine Titten wahrnehmen«, entgegnete Ruth.
    Vielleicht waren sie deshalb als Zimmerkameradinnen so gut miteinander ausgekommen und auch so oft zusammen verreist – was noch kritischer ist, als im selben Zimmer zu wohnen –, weil sie nicht die gleichen Sachen trugen und auch nicht hätten tragen können.
    Daß Ruth Cole lieber Männerkleidung trug, lag nicht daran, daß sie ohne Mutter aufgewachsen war; als Kind hatte Conchita Gomez sie übertrieben mädchenhaft gekleidet und sie mit einem Koffer voller Kleinmädchenröcke und -kleider, die Ruth nicht ausstehen konnte, nach Exeter geschickt.
    Sie bevorzugte Jeans oder Hosen, die so gut saßen wie Jeans. Sie mochte T-Shirts und Männerhemden – keine Rollkragen, weil sie klein war und einen kurzen Hals hatte, und auch keine allzu voluminösen Pullover, in denen sie dick aussah. Dabei war sie nicht dick, und sie wirkte auch nur klein. Wie auch immer, Ruth hatte die Kleidervorschriften in Exeter ausgereizt, indem sie sich an die hielt, die für die Jungen galten. Seither war das ihr persönlicher Stil geworden.
    Mittlerweile freilich waren ihre Blazer, auch wenn es sich um Männerblazer

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