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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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das Kokain in kleinen Flugzeugen via Surinam aus Kolumbien. Die Surinamesen brachten es Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in die Niederlande. Mit den surinamesischen Prostituierten hatte es keine großen Probleme gegeben, und auch ihre Zuhälter machten wenig Ärger; das Problem war das Kokain. Jetzt schmuggelten die Kolumbianer es selbst ins Land; und auch mit den kolumbianischen Prostituierten gab es keine Probleme, und ihre Zuhälter machten sogar noch weniger Ärger als die surinamesischen.
    In den neununddreißig Jahren seiner Dienstzeit bei der Amsterdamer Polizei, von denen er fünfunddreißig in De Wallen verbracht hatte, war Harry Hoekstra nur ein einziges Mal mit einer Pistole bedroht worden. Der Mann hieß Max Perk und war ein surinamesischer Zuhälter, der Harry dazu zwang, ihm seine Pistole zu zeigen. Wäre es zu einer Schießerei gekommen, bei der es auf schnelles Ziehen ankam, hätte Harry verloren, denn Max hatte zuerst gezogen. Aber das Herzeigen der Waffen hatte eher den Charakter einer Machtdemonstration, und die hatte Harry gewonnen. Seine Pistole war eine 9mm Walther.
    »Die kommt aus Österreich«, hatte er dem Zuhälter aus Surinam erklärt. »Die Österreicher verstehen sich ausgezeichnet auf Pistolen. Die da pustet dir ein größeres Loch in den Bauch als deine in meinen, und vor allem pustet sie dir mehr Löcher in kürzerer Zeit in den Bauch.« Ob das nun stimmte oder nicht, Max Perk hatte seine Waffe sinken lassen.
    Doch trotz seiner persönlichen Erfahrungen mit den Surinamesen war Sergeant Hoekstra ziemlich überzeugt, daß die Zeiten schlechter werden würden. Kriminelle Organisationen schleusten junge Frauen aus dem ehemaligen Sowjetblock nach Westeuropa; inzwischen arbeiteten Tausende von osteuropäischen Frauen unfreiwillig in den Rotlichtvierteln von Amsterdam, Brüssel, Frankfurt, Zürich, Paris und anderen westeuropäischen Städten. Die Besitzer von Nachtclubs, Stripteaselokalen, Peep-Shows und Bordellen kauften diese jungen Frauen im allgemeinen regelrecht ein.
    Die jungen Frauen aus der Dominikanischen Republik, aus Kolumbien, Brasilien und Thailand wußten wenigstens, weshalb sie nach Amsterdam kamen; ihnen war klar, was sie dort machen würden. Aber die jungen Frauen aus Osteuropa kamen häufig in der Annahme hierher, daß sie als Kellnerinnen in anständigen Restaurants arbeiten würden. Bevor sie die irreführenden Arbeitsangebote im Westen angenommen hatten, waren sie Studentinnen, Verkäuferinnen und Hausfrauen gewesen.
    Unter diesen Neuankömmlingen in Amsterdam waren die sogenannten Schaufensternutten noch am besten dran. Doch mittlerweile wurden die Mädchen in den Fenstern von denen auf der Straße unterboten, da alle dringend Arbeit brauchten. Die Prostituierten, die Harry am längsten kannte, setzten sich entweder zur Ruhe oder drohten damit – was bei Prostituierten freilich häufig vorkam. In ihrem Gewerbe war »kurzfristiges Denken«, wie Harry es nannte, an der Tagesordnung. Die Nutten erklärten ihm andauernd, sie wollten »nächsten Monat« oder »nächstes Jahr« aufhören – manchmal sagte auch eine: »Ich haue nächsten Winter sowieso ab.«
    Doch in letzter Zeit hatten, öfter als bisher, zahlreiche Prostituierte Harry anvertraut, daß ihnen Zweifel gekommen seien, wie sie es formulierten; im Klartext hieß das, daß sie den falschen Mann hereingelassen hatten.
    Es gab einfach mehr falsche Männer als früher.
    Sergeant Hoekstra erinnerte sich an eine junge Russin, die einen angeblichen Job als Kellnerin im Cabaret Antoine angenommen hatte. Aber das Cabaret Antoine war kein Restaurant, sondern ein Bordell, und der Besitzer hatte dem russischen Mädchen sofort den Paß abgenommen. Er erklärte ihr, auch wenn ein Freier kein Kondom benutzen wolle, dürfe sie sich nicht weigern, Sex mit ihm zu haben, es sei denn, sie wolle umgehend auf der Straße landen. Ihr Paß war ohnehin dubios gewesen, und bald fand sich ein scheinbar mitfühlender Freier, ein älterer Herr, der ihr zu einem neuen, ebenfalls dubiosen Paß verhalf. Doch inzwischen hatten die Betreiber des Bordells ihren Namen geändert – sie wurde nur noch Vratna genannt, weil ihr richtiger Name zu schwer auszusprechen war –, und die ersten zwei Monats»löhne« einbehalten, angeblich um ihre Schulden beim Bordell auszugleichen. Diese »Schulden« wurden ihr gegenüber mit Agenturgebühren, Steuern, Essen und Miete begründet.
    Kurz bevor die Polizei in dem Bordell eine Razzia machte,

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