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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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finden, rufen Sie mich bitte an, und dann ruhen Sie sich aus.« Mary stand auf und bedankte sich. Sie legte die Hand auf die Schulter des mürrischen Kommissars.
    »Glauben Sie an die Sache mit der Rutschbahn?«
    »Man ist nie vor einem Glücksfall gefeit! Gehen Sie jetzt!« Mary schloss die beängstigende Hypothese aus, dass sie einen Zug genommen hatte, denn dazu reichte der Inhalt des Plüschhasen nicht. Sie fuhr noch einmal zur Endstation des Busbahnhofs und bat um ein Gespräch mit einem Verantwortlichen. Ein Angestellter empfing sie und ließ sie auf einer Bank warten. Die Zeit kam ihr unendlich lang vor. Schließlich holte sie ein korpulenter Mann in sein Büro. Das Zimmer war düster, doch der Mann mit dem keuchenden Atem war liebenswürdig und bereit, ihr zu helfen. Sie zeigte ihm Lisas Foto und fragte, ob es möglich sei, im Bus bis nach Lateinamerika zu fahren. »Im Süden fahren unsere Linien bis Mexiko«, antwortete er und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Seit dem Verschwinden des Mädchens waren drei Busse in diese Richtung aufgebrochen. Mühsam erhob er sich, sah auf seine Uhr und deutete mit dem Finger auf die Karte mit der aktuellen Position der Busse. Er nahm ein dickes Telefonbuch der Gesellschaft aus dem Regal und rief die Kioske an, in denen die Fahrgäste beim nächsten Zwischenstopp Erfrischungen kaufen konnten. Sie bat ihn, die Fahrer aufzufordern, sich dringend mit dem Busbahnhof von New York in Verbindung zu setzen. Obwohl es ganz offensichtlich eine Anstrengung für ihn bedeutete, begleitete er sie nach draußen. Als sie sich gerührt bedankte, erklärte er, er glaube nicht eine Sekunde daran, dass ein Mädchen in diesem Alter von den Fahrern unbemerkt hätte in einen der Busse steigen könne. Außerdem, so fügte er hinzu, würde sie nie über die Grenze kommen. Um gegen ihre Müdigkeit anzukämpfen, fuhr sie mit geöffnetem Fenster. Sie durfte auf keinen Fall einschlafen. Es war zwanzig Uhr dreißig, und der Parkplatz des McDonald's war noch voll besetzt, aber sie sah die rote Rutschbahn, die friedlich dalag. Sie lief über alle Wege und rief dabei Lisas Namen. Keine von den Bedienungen, denen sie das Foto zeigte, hatte das junge Mädchen bemerkt. Sie schlug den Weg ein, der zu den Hügeln oberhalb der Stadt führte, bog in einen Feldweg ab und parkte den Wagen vor einer Schranke. Zu Fuß ging sie weiter zum Gipfel. Im fahlen Licht des ausklingenden Tages schrie sie Lisas Namen, doch nicht einmal ein Echo antwortete ihr. Am liebsten hätte sie sich im Gras ausgestreckt. Als es dunkel wurde, fühlte sie, wie ihre letzten Kräfte sie verließen, und beschloss resigniert, nach Hause zu fahren.
    Thomas saß auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Sie sagte ihm ein paar liebe Worte und ging sofort hinauf in ihr Schlafzimmer. Auf der Treppe wurde ihr bewusst, dass im Erdgeschoss alles ruhig war. Sie warf einen Blick zurück und sah, dass der Bildschirm dunkel war. Thomas starrte auf den ausgeschalteten Fernseher. Sie ging wieder hinunter, kniete sich neben ihn und legte den Arm um ihn.
    »Wir kümmern uns im Moment nicht viel um dich, mein kleiner Frosch.«
    »Glaubst du, sie kommt zurück?«
    »Ich glaube es nicht nur, ich bin sicher.«
    »Ist sie wegen des Streits mit Papa weggelaufen?«
    »Nein, wohl eher meinetwegen. Ich glaube, ich habe ihr das Leben nicht leicht gemacht.«
    »Hast du sie lieb?«
    »Natürlich, wie kannst du nur eine solche Frage stellen?«
    »Weil du es nie sagst.«
    Mary war erschrocken.
    »Sitz hier nicht so herum, mach uns zwei Sandwiches, ich ziehe mich nur schnell um, dann esse ich mir dir zu Abend. Weißt du, wo dein Vater ist?« »Auf dem Polizeirevier, er kommt in einer Stunde zurück.«
    »Dann mach drei ... nein, vier!«
    Sie zog sich am Geländer die Treppe hinauf, bis zu Philips Arbeitszimmer.
    Es lag im Dämmerlicht. Ihre Hand glitt über die Schreibtischlampe. Um sie einzuschalten, brauchte man nur mit den Fingerspitzen das Metallgestell zu berühren.
    Sie ging zum Regal, nahm den kleinen Rahmen mit dem Foto und betrachtete es. Susans Lächeln schien der Vergangenheit anzugehören. Mit sanfter Stimme begann Mary, mit ihr zu sprechen:
    »Ich brauche dich, verstehst du? Ich stehe wie ein Idiot in diesem Zimmer und habe mich noch nie in meinem Leben so allein gefühlt. Ich bin gekommen, um dich um Hilfe zu bitten, denn von da aus, wo du bist, siehst du sie bestimmt. Weißt du, ich kann nicht alles allein machen. Ich verstehe, was du

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