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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Straße. Aber kaum hatte ich die Ringstraße erreicht, änderte sich das Bild. Es war, als würde die Sonne durch die Wolken brechen. Alles erstrahlte in goldenem Glanz.
    Mein Hotel, das Wandl, zeichnete sich durch nicht mehr und nicht weniger als seine vernünftigen Preise und eine ruhige und dennoch zentrale Lage, fast genau in der geographischen Mitte der Stadt, aus. Es lag direkt hinter der barocken Schottenkirche und nur einen Katzensprung vom Graben entfernt, eine der beiden autofreien Einkaufsstraßen im Herzen Wiens. Die zweite ist die Kärntnerstraße, die am Domplatz im rechten Winkel auf den Graben trifft. Zusammen bilden beide die schönste Fußgängerzone Europas. Vielleicht ist die Straget ein klein wenig länger, vielleicht sind andere eine Spur eleganter, aber keine ist sowohl das eine als auch das andere. Innerhalb von Minuten wußte ich, daß ich Wien mögen würde.
    Zuerst ging ich zum Dom. Von außen wirkt das gotische Bauwerk ungemein imposant, aber innen kam es mir seltsam leblos vor. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Auch schien das Innere der Kirche ziemlich verwahrlost zu sein. Das Messing war stumpf, die Bänke waren abgewetzt, der Marmor wirkte schwer und tot, als wäre jegliche natürliche Leuchtkraft aus ihm gewichen. Aufatmend trat ich wieder ins Freie. In einer Konditorei in der Nähe trank ich einen Kaffee, aß ein 15000 Kalorien schweres Stück Kuchen und plante meinen Aufenthalt in der Stadt. Meinem Reiseführer entnahm ich den Rat: »In Wien sollte man sich ein Museum nach dem anderen ansehen.« Besten Dank, dachte ich. All die Jahre bin ich immer gleichzeitig in zwei Museen gegangen und konnte mir nicht erklären, warum es mir so dreckig ging. Ich beschloß, mit dem Kunsthistorischen Museum zu beginnen. Es war phantastisch – geräumig, würdevoll und voller großartiger Gemälde. Obendrein haben sie sich dort ein lobenswertes System einfallen lassen. In jedem Raum steht ein Ständer mit Karten, auf denen man die Geschichte der in dem jeweiligen Raum ausgestellten Gemälde wahlweise in vier Sprachen nachlesen kann. Mit einer Karte in der Hand wandert man von Bild zu Bild, liest die Anmerkungen, stellt die Karte in den Ständer zurück, um sich in den nächsten Raum zu begeben, wo wieder eine Karte bereitliegt. Eine gute Idee, wie ich finde.
    Das einzige Problem im Kunsthistorischen Museum ist seine gewaltige Größe. Noch bevor ich ein Drittel der Ausstellung gesehen hatte, war meine Aufnahmefähigkeit erschöpft. Im allgemeinen fühle ich mich in Situationen wie diesen, und besonders wenn ich ein Vermögen an Eintrittsgeld bezahlt habe, verpflichtet, noch einige Stunden zu bleiben, damit sich die Ausgabe einigermaßen rentiert hat, und vertreibe mir die Zeit, indem ich mir Untertitel für die gezeigten Bilder ausdenke. Dann sagt Salome, als man ihr das Haupt Johannes’ des Täufers auf einem Tablett serviert: »Moment mal, ich habe doch einen doppelten Cheeseburger bestellt.« Oder ein genervter St. Sebastian jammert: »Ich warne euch, Jungs. Wenn ihr noch einen Pfeil abschießt, hole ich die Polizei.« Doch diesmal tat ich etwas, das mich selbst überraschte. Ich verließ das Museum und beschloß, an einem der nächsten Tage wiederzukommen, egal was mich das kosten würde. Abwechslungshalber besuchte ich das Tabakmuseum hinter dem Messepalast. Auch das war nicht gerade billig. Kaum etwas in Wien ist billig. Hier wollte man zwanzig Schilling Eintritt, immerhin fast die Hälfte weniger als im Kunstmuseum, allerdings war das Tabakmuseum auch nicht halb so gut. In zwei ziemlich kleinen Räumen hatte man ein paar Dutzend Schaukästen aufgestellt, die mit alten Pfeifen, Zigarren, Streichhölzern, Zigaretten und Zigarettenschachteln vollgestopft waren. Im größeren der beiden Räume hingen an jeder Wand Gemälde von geringem künstlerischen Wert. Sie hatten nichts miteinander gemein, außer daß auf jedem Bild mindestens eine der abgebildeten Personen rauchte. Nicht zu empfehlen.
    Ebensowenig zu empfehlen ist leider die Albertina, die übrigens noch teurer war – fünfundvierzig Schilling. Bei einem solchen Eintritt erwarte ich, wenigstens eines der Ausstellungsstücke mit nach Hause nehmen zu dürfen. Aber ich zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken, denn ich hatte gelesen, daß die Albertina eine der großartigsten Sammlungen grafischer Kunst besitzt, eine Kunstform, für die ich mich zufällig besonders interessiere. Zu sehen war davon jedoch kaum etwas. In dem

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