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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Seite des Berges. Das Städtchen schien etwa einen Kilometer unter mir zu liegen. Es war einer dieser Berge, bei denen man nicht weiß, ob man noch zum Stehen kommt, hat man erstmal mit dem Abstieg begonnen. Während ich bergab lief, verlor ich mehr und mehr die Kontrolle über meine Beine. In der letzten Kurve war ich nur mehr ein Passagier auf den Stummelbeinen eines außerirdischen Wesens. Sie steuerten mich mit rasantem Tempo auf eine steinerne Scheune am Ortseingang zu. Im Geiste sah ich, wie ich ihre Mauern durchbrach und die Umrisse meines Körpers als Loch darin zurückließ, wie eine Figur in einem Zeichentrickfilm. Aber tatsächlich tat ich etwas viel Interessanteres. Ich trat auf ein wackeliges Rohr und verstauchte mir böse den Fuß – ich meinte, deutlich ein Knacken wie von brechendem Holz zu hören –, drehte eine Reihe tolpatschiger Pirouetten, bei denen ich mir, noch während ich um mich selbst rotierte, wie das Frankenstein-Monster auf Rollschuhen vorkam, wirbelte über die Straße, krachte mit dem Gesicht voran in die Scheunenwand, taumelte einen Moment und fiel schließlich rücklings zu Boden. Ich lag reglos im hohen Gras und brauchte eine Minute, bis ich begriffen hatte, daß das Ende meines rechten Beines ungekannte Qualen litt. Von Zeit zu Zeit hob ich das Kinn an die Brust und blickte an meinem Körper hinunter, um festzustellen, ob mein rechter Fuß in die falsche Richtung zeigte oder auf andere Weise verrenkt dalag, was die Heftigkeit der Schmerzen erklärt hätte. Aber er sah ganz normal aus. Auch den Berg konnte ich sehen, und flüchtig dachte ich auf seltsam abstrakte Weise darüber nach, wie ich ohne Bus und ohne Taxi je wieder da hinauf kommen sollte.
    Schließlich richtete ich mich mit Hilfe der Scheunenwand auf und humpelte zu einem Café hinüber, wo ich mich auf den erstbesten Stuhl fallen ließ und eine Cola bestellte. Ich zog Schuh und Strumpf aus und untersuchte meinen Knöchel, in der Erwartung, genaugenommen sogar in der Hoffnung – ganz in der perversen Art und Weise des verletzten Mannes – einen zersplitterten Knochen zu entdecken, der wie eine Zeltstange unter der Haut hervorsteht und bei jedem Betrachter ein Gefühl der Übelkeit auslösen würde. Doch der Fuß hatte sich lediglich blaß bläulich verfärbt, war empfindlich und ganz leicht angeschwollen. Und wieder einmal mußte ich mich damit abfinden, daß ich unter schrecklichen Schmerzen gelitten hatte, ohne eine Verletzung aufweisen zu können, die furchtbar genug war, um mich per Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus fliegen zu lassen, wo junge Krankenschwestern in erotisch gestärkten Uniformen sich meiner annehmen würden. Eine halbe Stunde nippte ich niedergeschlagen an meiner Cola, bis ich dann beim Aufstehen merkte, daß ich das Schlimmste überstanden hatte und wieder einigermaßen laufen konnte.
    So humpelte ich denn durch Durbuy. Es war ein außergewöhnlich hübsches Städtchen, mit engen Gassen und schiefergedeckten Häusern. Am Stadtrand stand ein Schloß, das einem Märchenbuch entsprungen zu sein schien. Zu seinen Füßen rauschte ein seichter, aber reißender Fluß, die Ourthe, und rundherum erhoben sich seltsam herrisch die grünen Berge, die jahrhundertelang die Außenwelt ferngehalten hatten. Der Größe der Parkplätze nach zu urteilen war Durbuy ein beliebtes Ausflugsziel. Mir begegnete allerdings kaum jemand, und die meisten Geschäfte waren geschlossen. Ich verbrachte mehrere Stunden in der Stadt. Die meiste Zeit saß ich auf einer Bank am Fluß, versunken in die Schönheit der Landschaft und in den Gesang der Vögel. Daß dieser stille Ort mehr oder weniger im Epizentrum der Ardennenoffensive gelegen hat, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich kramte Gilberts Buch über den Zweiten Weltkrieg hervor und überflog das Stichwortverzeichnis. Durbuy und Barvaux wurden nicht erwähnt, aber viele der Nachbarorte waren darin zu finden – Malmédy, wo eine Einheit der SS zweiundsiebzig gefangene amerikanische Soldaten auf einen Acker geschleppt und erschossen hat, statt sie wie Kriegsgefangene zu behandeln; Stavelot, wo zwei Tage später die nimmermüden Unmenschen der SS 130 belgische Zivilisten töteten, darunter dreiundzwanzig Kinder; Bastogne, wo amerikanische Streitkräfte einen Monat lang belagert worden waren, was Hunderten das Leben gekostet hat; und viele andere Städte und Dörfer. Es wollte mir einfach nicht in den Kopf, daß diese schrecklichen, grausamen Dinge hier

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