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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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einladend aus. Es war ein milder Frühlingsabend. Nebel senkte sich so behaglich über die Stadt wie eine Decke, die man sich um die Schultern legt. Menschen bummelten ziellos durch die Straßen und sahen sich die Schaufenster an, und ich fühlte mich wohl unter ihnen.
    Ich hatte mir Hamburg trostloser vorgestellt, wie eine Art deutsches Liverpool, voller Straßenüberführungen und leerer, verwahrloster Grundstücke. Da ich bereits wußte, daß Hamburg eine sehr hohe Arbeitslosenquote hatte, war ich auf das Schlimmste gefaßt. Doch Hamburg erwies sich als, zumindest oberflächlich betrachtet, alles andere als ärmlich. Die Kaufhäuser an der Mönckebergstraße, der größten Einkaufsstraße der Stadt, waren glänzend und picobello und gefüllt mit Luxuswaren, wesentlich eleganter als in den Geschäften an der Oxford Street, und in den Seitenstraßen leuchteten die Fenster von zahllosen vornehmen Restaurants und Cafes. Ich schlenderte durch die stillen, schönen Straßen der Speicherstadt und über den großen Rathausplatz, bog um eine Ecke und stand unerwartet vor einer der atemberaubendsten Stadtansichten, die ich je gesehen habe – die Binnenalster, einer der beiden Seen, um die die Stadt angelegt ist. Auf dem Stadtplan hatte ich gesehen, daß es in Hamburg diese Seen gibt, doch auf einen so herrlichen Anblick war ich nicht gefaßt gewesen. Die Binnenalster ist zwar der weitaus kleinere der beiden, sie ist aber dennoch groß genug, um mitten in der Stadt eine rechteckige Insel der Stille und Besinnlichkeit zu bilden. Das Ufer ist gesäumt von Bäumen und Parkbänken, hinter denen sich Bürogebäude und ein paar Hotels der alten Schule erheben, jene Hotels, in denen ständig reiche, alte Damen in Pelzmänteln, mit kleinen Schoßhunden im Arm, ein-und ausgehen und deren Portiers wie albanische Admiräle gekleidet sind.
    Ich setzte mich in der Dunkelheit auf eine Bank, betrachtete wohl eine halbe Stunde lang die Lichter, die sich auf der Oberfläche spiegelten, und lauschte dem Plätschern des Wassers. Schließlich riß ich mich los und ging zur Kennedybrücke hinüber. Sie führt über die Stelle, an der die beiden Seen aneinanderstoßen. Von hier wirkte die Außenalster gewaltiger und unregelmäßiger und sogar noch schöner als die Binnenalster, aber diesen Teil der Stadt wollte ich mir für den nächsten Tag aufheben. Mein leerer Magen trieb mich ins Popp zurück, wo ich ausgiebig und für ein kleines Bahnhofshotel überraschend gut zu Abend aß. Ich stopfte Brötchen und Salat und Fleisch und Kartoffeln in mich hinein, bis ich nicht mehr 1konnte, und füllte jeden verbliebenen Zwischenraum in mir mit gutem deutschen Bier. Nachdem ich ein halbes Buch gelesen hatte, erhob ich mich kurz nach Mitternacht von meinem Tisch, nickte würdevoll den sechs türkischen Kellnern zu, die seit Stunden auf diesen Moment gewartet hatten, und ließ mich von einem winzigen Lift im Zeitlupentempo in den vierten Stock tragen. Oben angekommen mußte ich etwa eine halbe Stunde mit meinem Schlüssel auf das Schlüsselloch einstechen, bis ich dann unerwartet ins Zimmer stürzte, die Tür mit einem Fußtritt schloß, mich einiger Kleidungsstücke entledigte (einer Socke, einem halben Hemd) und mich aufs Bett warf, wo ich auf der Stelle in einen tiefen, zufriedenen und aller Wahrscheinlichkeit nach geschwätzigen Schlaf sank. Die Sonne weckte mich. Sie schien so heiß und hell aufs Bett, daß an Schlaf nicht mehr zu denken war. Also stolperte ich zum Fenster.
    Draußen wartete ein herrlicher Morgen, viel zu schön, um verschlafen zu werden. Die Bahnhofshalle und die Kirchen-Allee dahinter erstrahlten im Sonnenlicht, daß mir die Augen schmerzten. Ich hatte einen Kater, an dem die Wissenschaft ihre helle Freude gehabt hätte, doch nach zwei Tassen starkem Kaffee auf der sonnigen Terrasse des Popp, nach einer Handvoll Aspirin und zwei Zigaretten fühlte ich mich soweit in der Lage, einen gemäßigten Spaziergang zum Elbeufer zu unternehmen. Als ich dort ankam, sah ich nicht viel mehr als Kräne, Werften und den breiten, trägen Fluß. Mir kamen die Worte Konrad Adenauers in den Sinn: »An der Elbe kann man Preußen riechen.« Ich roch nichts als toten Fisch, jedenfalls glaube ich, daß es toter Fisch war. Vielleicht waren es auch die Preußen.
    In den dreißiger Jahren arbeiteten 100000 Menschen im Hamburger Hafen, heute sind es knapp 1200. Dennoch ist er, nach Rotterdam, noch immer der zweitgrößte Umschlaghafen Europas, mit einem

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