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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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FLEISCHÄHNLICHE HAUT!, EINLADENDER AFTER! (Bitte, was?), BEWEGLICHE AUGEN! (Ugh) und VAGINA, DIE AUF BEFEHL VIBRIERT!

Wow, aber kann sie auch kochen? dachte ich. Eine andere Puppe, der man den Namen »Chinese Love Doll 980« gegeben hatte, versprach allen Ernstes eine »lebenslange Freundschaft«. Darunter stand in Fettdruck: EXTRA DICKES GUMMI. Wenn das nicht die Romantik zunichte macht! Offenbar handelte es sich hierbei um ein Modell für den eher praktischen Typ. Aber auch sie lockte mit Verheißungen wie: TITTEN, DIE HEISS WERDEN und RIECHT WIE EINE RICHTIGE FRAU. All diese Versprechungen waren in den verschiedensten Sprachen abgedruckt. Interessanterweise hörten sich die deutschen Versionen allesamt derb und vulgär an, während dieselben Worte auf Spanisch sanft und romantisch klangen: ANO TENTADOR, DELICIOSA VAGINA QUE VIBRA A TU ORDEN, LABIOS AMOROSOS. Man könnte sich diese Worte beinahe als Bestellung in einem Restaurant vorstellen: »Ich nehme das Ano Tentador, leicht angebraten, und eine Flasche Labios Amorosos ’88.« Auf Deutsch hört es sich an wie der Morgenappell in einem Gefangenenlager. Das Thema faszinierte mich. Wer kauft so was?
    Vermutlich würden die Hersteller ihre Produkte nicht mit vibrierenden Vaginen oder Titten, die heiß werden, ausstatten, wenn keine Nachfrage bestünde. Also, wer schreit danach? Und wie bringt man es fertig, so ein Ding zu kaufen? Erklärt man dem Typen hinterm Ladentisch, es sei für einen Freund bestimmt? Können Sie sich vorstellen, mit dem Ding unterm Arm in die Straßenbahn zu steigen und die ganze Zeit befürchten zu müssen, die Tüte könnte reißen und es fiele heraus und würde sich selbst aufblasen oder, noch schlimmer, man käme auf dem Nachhauseweg bei einem Verkehrsunfall ums Leben und die ganze nächste Woche wären die Zeitungen voll mit Schlagzeilen wie: DIE POLIZEI HAT DEN GUMMIPUPPENMANN IDENTIFIZIERT, und darunter würde das eigene Foto aus dem Highschool-Jahrbuch prangen?
    Ich könnte die nervliche Belastung nicht ertragen. Und da ist man dann endlich zu Hause angelangt, will gerade den Sektkorken knallen lassen und sich mit seiner Gummifreundin einen romantischen Abend machen, und plötzlich klingelt es, und ein paar Freunde schauen unerwartet herein, so daß man seine Gefährtin schnell in den Kamin schieben muß und den Rest des Abends vor Angst vergeht, man könnte die Verpackung oder andere verräterische Dinge liegengelassen haben. (»Übrigens, Bill, für wen ist eigentlich das zweite Sektglas da?«) 
    Vielleicht bin nur ich so verklemmt. Vielleicht sind diesen Leuten ihre abnormen Leidenschaften überhaupt nicht peinlich. Womöglich reden sie mit ihren Freunden ganz offen darüber. »Habe ich dir schon erzählt, daß ich mir das Modell »Arabische Nacht 280« gekauft habe? Ihre Augen sind nicht beweglich, aber der After reagiert ausgezeichnet.« Vielleicht bringen sie sie sogar mit, wenn sie sich gegenseitig besuchen. »Helmut, ich möchte dir meine neue 440 vorstellen. Schau dir diese Brüste an. Sie werden heiß!«
    Während mir all diese Überlegungen durch den Kopf gingen, befand ich mich bereits auf dem Rückweg ins Stadtzentrum. Ich kam vorbei an wuchtigen Gerichtsgebäuden und einer Konzerthalle und erreichte schließlich das Gewirr von Einkaufsstraßen und exklusiven Passagen zwischen Binnenalster und Rathaus. Auf allen Plätzen saßen Menschen in der Sonne, aßen zu Mittag oder schleckten Eis. Fast ausnahmslos sahen sie gesund und wohlhabend aus, und häufig waren sie auffallend attraktiv. Noch vor zwanzig Jahren wimmelte es in deutschen Städten von Geschäftsleuten, die aussahen, wie man es von Deutschen erwartete – fett und arrogant. Zu jeder Tageszeit sah man sie Berge von Würsten und Kartoffeln in sich hineinschlingen und mit vollem Mund goldenes Bier hinunterkippen. Nun schienen sie sich von Salaten und Fisch zu ernähren und sahen blühend und braungebrannt aus – und obendrein glücklich und zufrieden. Vielleicht galt das nur für Hamburg, das ja Dänemark, Schweden und sogar England geographisch näher ist als München. Vielleicht ist Hamburg in dieser Hinsicht also keine typisch deutsche Stadt. Jedenfalls hätte ich eine so entspannte und angenehme Atmospähre in Deutschland kaum für möglich gehalten, zumindest nicht unter Deutschen, die älter als fünfundzwanzig sind. Von Arroganz konnte hier keine Rede sein, vielmehr von einer stillen Zuversicht, die wohl auf den materiellen Wohlstand

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