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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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zurückzuführen war. All meine kleinen Bedenken, Deutschland die Herrschaft über Europa anzuvertrauen, lösten sich im Hamburger Sonnenschein in Wohlgefallen auf. Noch vor fünfundvierzig Jahren war Hamburg ein Trümmerhaufen. Praktisch jedes Bauwerk um mich herum war neueren Datums, auch wenn es alt zu sein schien. Mit Verstand und harter Arbeit haben die Hamburger ihre Stadt – und sich selbst – reich, elegant und stattlich werden lassen. Sie hätten Grund genug, deshalb stolz und überheblich zu sein, aber sie waren es nicht, und dafür bewunderte ich sie. Ich glaube nicht, daß ich den Deutschen jemals ihre Vergangenheit verzeihen kann, jedenfalls nicht, solange ich mich fragen muß, ob der freundliche, alte Kellner, der mir meinen Kaffee bringt, seine Jugend damit verbracht hat, Babys auf Bajonette zu spießen oder Juden in die Gaskammern zu schicken. Es gibt Dinge, die sind zu abscheulich, um verziehen werden zu können. Dennoch bin ich der Ansicht, daß niemand, der heute nach Deutschland kommt, auch nur für einen Moment annehmen kann, daß etwas derartiges in diesem Land je wieder geschehen könnte. Es kam mir so vor, als wären die Deutschen auf dem besten Weg, die neuen Amerikaner zu werden – reich, ehrgeizig, fleißig, gesundheitsbewußt und ihres Stellenwertes in der Welt gewiß. Und wie ich mir Hamburg so ansah, wollte ich mein Schicksal gern in ihre Hände legen – auf jeden Fall würde ich es lieber ihnen anvertrauen als denen, die Großbritannien während der letzten vierzig Jahre in einen einzigen Ramschladen verwandelt haben.
    Eins hatte sich nicht verändert: Die Frauen rasieren sich bis heute nicht die Achseln. Das hat mich schon immer gewundert. Alle sind sie so schön und elegant, und dann heben sie die Arme, und da hängt dieses Büschel Stahlwolle. Ich weiß, einige Leute halten das für natürlich, aber das sind Steckrüben auch, und trotzdem hängt sich niemand Rüben unter die Achseln. Sollte sich jedoch herausstellen, daß die Vernachlässigung ihrer Schamhaare die schlechteste Eigenschaft ist, die die Deutschen mit ins letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts nehmen, dann habe ich nichts dagegen einzuwenden, daß sie uns ins nächste Jahrtausend führen. Allerdings wird man uns da wohl sowieso keine andere Wahl lassen.

    All diese schlanken, gutaussehenden Menschen begannen mich zu deprimieren, ganz besonders, als ich zufällig in einem Schaufenster mein Spiegelbild erblickte und erkennen mußte, daß nun ich der Fettwanst hier war. Nachdem ich die ersten fünfundzwanzig Jahre meines Lebens ausgesehen habe, als stammte ich von einer Heuschrecke ab, trifft mich bei einem so unerwarteten Anblick meines wogenden Wabbelspecks noch immer fast der Schlag. Und jedesmal wieder muß ich mich davon abhalten, dem fetten Typen neben mir »Guten Morgen« zu sagen, wenn ich einen Fahrstuhl mit Spiegel betrete. Einmal habe ich es mit einer Diät versucht. Schon in der ersten Woche habe ich vier Pfund abgenommen, was mich zunächst ungemein gefreut hat, doch dann wurde mir klar, daß bei einem so rasanten Tempo innerhalb von nur einem Jahr nichts mehr von mir übrig sein würde. Daher war ich einigermaßen erleichtert, als ich in der zweiten Woche all meine Pfunde wieder bei mir hatte (es handelte sich um eine eigens von mir zusammengestellte Pizza-und Eiskrem-Diät), und ich mich nun mit dem Gedanken tröste, daß ich im Falle einer globalen Hungersnot noch immer auf den Beinen sein werde, ja, vermutlich sogar noch ein wenig Tennis spiele, wenn ihr alle längst aus dem letzten Loch pfeift.
    Den Nachmittag widmete ich der gewaltigen Außenalster. Ich wanderte einmal ganz um den See herum. Eigentlich wollte ich mich dort nicht den ganzen Nachmittag aufhalten, doch es war so schön, daß ich mich nicht losreißen konnte. Unter dem mit Schönwetterwolken betupften Himmel schaukelten Segelboote auf dem Wasser, und unentwegt schipperten die kleinen roten und weißen Alsterdampfer zwischen den reichen Vierteln im Norden und dem gegenüberliegenden Stadtzentrum hin und her. Der See war umgeben von einem schmalen Park, in dem es von Joggern und Liebespaaren wimmelte. Dann und wann stieß ich auf eine von Pennern belagerte Bank, aber auch sie machten einen – in Anbetracht ihrer Lebensweise – erstaunlich gesunden und begüterten Eindruck. Jeder, von stämmigen Eichen und dem zitternden Laub der Weiden umrahmte, Blick über den See bot eine reizvolle Aussicht auf das andere Ufer: auf die Spitze eines

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