Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Polizeiuniformen, die ich je gesehen habe – marineblaue Overalls mit Unmengen von Reißverschlüssen und Taschen und Schlaufen, in denen Taschenlampen, Notizbücher, tragbare Telefone und sogar Enterhaken und Raketenwerfer steckten. Sie machten den Eindruck, als würden sie gemeinsam mit allen Eventualitäten fertig werden, ob es nun darum ging, das Lassafieber einzudämmen oder ein Atom-U-Boot zu entwaffnen. Dabei haben sie es nur selten mit schwerwiegenderen Delikten zu tun, denn die Dänen sind geradezu absurd gesetzestreue Bürger. Das schlimmste Verbrechen in diesem Land ist der Fahrradklau. Zufällig habe ich gerade die Statistiken des Jahres 1982 zur Hand. Damals wurden in Kopenhagen sechs Morde verzeichnet; demgegenüber standen 205 Morde in Amsterdam, eine Stadt von vergleichbarer Größe, und 1688 in New York. Die Stadt ist so ungefährlich, daß Königin Magarethe früher jeden Morgen das Schloß Amalienborg verließ, um wie ein normaler Bürger zu Fuß Blumen und Gemüse einzukaufen. Als ich einmal einen Dänen fragte, wer sie bei dieser Gelegenheit beschützte, sah er mich überrascht an und antwortete: »Wieso? Wir beschützen sie doch alle.« Ist das nicht rührend?
    Die Polizeibeamten halfen dem Jungen auf die Beine und führten ihn zum Streifenwagen. Während sich die kleine Menschenmenge auflöste, folgte ich ihnen fast gegen meinen Willen. Ich weiß nicht, was mich so faszinierte – abgesehen von der Tatsache, daß ich noch nie so freundliche Polizisten gesehen hatte. Am Streifenwagen fragte ich die Polizistin auf Englisch, was sie mit dem Jungen machen würden.
    »Wir bringen ihn nach Hause«, sagte sie einfach, zog kaum merklich die Augenbrauen hoch und fügte hinzu:
    »Ich denke, er gehört ins Bett.«
    Ich war beeindruckt und mußte unwillkürlich daran denken, wie ich in Amerika selbst einmal von der Polizei angehalten worden war. Ich mußte mich mit ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen an eine Mauer stellen und wurde gefilzt. Dann schleppten sie mich aufs Polizeirevier und verpaßten mir einen Strafzettel – und alles nur wegen einer abgelaufenen Parkuhr. Ich war damals auch um die siebzehn Jahre alt. Gott weiß, was sie mit mir gemacht hätten, wenn ich im Drogenrausch auf einer Parkbank aufgegriffen worden wäre. Vermutlich würde ich jetzt erst aus dem Gefängnis entlassen. »Wird er Schwierigkeiten bekommen?« fragte ich.
    »Von seinem Vater wahrscheinlich schon. Aber nicht von uns: Wir sind doch alle manchmal ein bißchen verrückt, oder? Gute Nacht. Und einen angenehmen Aufenthalt in Kopenhagen.«
    »Gute Nacht«, sagte ich und sah ihnen voller Bewunderung nach.

    Am nächsten Morgen hatte ich Lust auf ein paar Museumsbesuche. Kopenhagen hat großartige Museen, für die sich allerdings kaum jemand zu interessieren scheint, nicht einmal die Dänen selbst. Zuerst ging ich ins riesige Nationalmuseum, gegenüber vom Schloß Christiansborg. Ich hatte es fast für mich allein. Besonders in kleinen Ländern erweisen sich Nationalmuseen oft als eine recht langweilige Angelegenheit – ein paar KaufhausMannequins in bäuerlichen Kostümen aus dem sechzehnten Jahrhundert, ein Schaukasten mit sechs römischen Münzen, die jemand in seinem Garten gefunden hat, und das ist dann auch schon so ziemlich alles. Doch das dänische Nationalmuseum ist sowohl ungeheuer groß als auch gut bestückt. Den ganzen Vormittag wanderte ich glücklich durch seine zahllosen hallenden Räume.
    Anschließend besichtigte ich die Ny Carlsberg Glyptothek. Einige Museen besitzen herrliche Kunstschätze, sind aber in nichtssagenden Bauwerken untergebracht; in anderen sind die Ausstellungsstücke nichtssagend, aber das Bauwerk ist eine Augenweide. Die Glyptotek ist in beiderlei Hinsicht ein Hochgenuß. Sie verfügt über eine hervorragende Sammlung römischer Statuen und einige der schönsten impressionistischen Gemälde überhaupt, und das Bauwerk ist eine wahre Freude – hell, luftig, mit tadelloser Innenausstattung und einem ruhigen Innenhof voller Palmen. Das beste Museum hatte ich mir jedoch bis zum Schluß aufgehoben – die Hirschsprungsche Sammlung im Østre Park. Alles an dieser Sammlung ist wunderbar, und kein Park eignet sich meiner Meinung nach besser, um die Sekretärinnen zu sehen, die ihre Brüste in der Sonne baden (meine Erkenntnis ist in dieser Beziehung zwar sicher lückenhaft, aber um so gewissenhafter zusammengetragen). Doch auch ohne diesen zusätzlichen Anreiz lohnt das großartige,

Weitere Kostenlose Bücher